Rz. 1263
Mobiltelefon/Freisprechanlage/Vorfahrt
Rz. 1264
OLG Köln
Bei einem Unfall aufgrund eines Vorfahrtsverstoßes haftet auch der Vorfahrtsberechtigte (1) zu 20 %, wenn er zum maßgeblichen Zeitpunkt mit einem Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung zumindest zu telefonieren versucht hat.
Rz. 1265
OLG Brandenburg
Eine 15-jährige Fußgängerin haftet wegen eines gravierenden Verstoßes gegen § 25 Abs. 3 StVO zu 100 %, wenn sie – durch die Bedienung ihres Handys abgelenkt – unvermittelt und ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten, auf die Straße tritt und von einem herannahenden Bus erfasst wird. Das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 S. 2, 4 StVO) gilt nicht für plötzlich von der Seite auf die Fahrbahn gelangende Hindernisse. Als solche werden auch Fußgänger, die sich am rechten Fahrbahnrand befinden und plötzlich die Straße betreten, bezeichnet. Dieses Gebot betrifft die Sicht vor dem Fahrzeug.
Rz. 1266
OLG Düsseldorf
Gerät ein Kraftfahrer beim Einstellen des Radios aus Versehen zu weit nach rechts und kann er aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse (z.B. Regen) nicht mehr rechtzeitig bremsen bzw. ausweichen, so kann ihm nicht schlechthin der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden, zumal auch ein Augenblicksversagen vorliegen kann.
Rz. 1267
OLG Koblenz
Richtet der Geschäftsführer einer GmbH einen Schaden an einem von ihm geführten Firmenwagen an, haftet er der Gesellschaft für diesen Schaden, wenn er grob fahrlässig gehandelt hat. Grob fahrlässig handelt, wer mit einer Geschwindigkeit von 170–220 km/h fährt und dabei telefoniert. Es ist umstritten, ob ein Geschäftsführer einer GmbH bei der Teilnahme am Straßenverkehr für jede Fahrlässigkeit einzustehen hat, oder ob die arbeitsrechtlichen Grundsätze der Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit entsprechend anzuwenden sind. Wenn der Geschäftsführer der GmbH bei seiner Teilnahme am Straßenverkehr einen Schaden grob fahrlässig herbeigeführt hat, ist eine Haftungsbeschränkung auf alle Fälle zu verneinen.
Rz. 1268
OLG Nürnberg
Wendet ein Fahrzeugführer seinen Blick von der Fahrbahn, um das Autoradio zu bedienen und wird dadurch ein Verkehrsunfall verursacht, ist das nicht grob fahrlässig. Der Versicherer trägt die Beweislast für ein grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers. Auf die Regeln des Anscheinsbeweises kann hier nicht zurückgegriffen werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass "es nach der Lebenserfahrung ohne weiteres allmählich zu einem überzogenen Linkseinschlag mit der linken Hand gekommen" sei, als der Fahrer "eine nicht ganz unerhebliche Zeit seine Konzentration auf die Bedienung des Radios mit der rechten Hand gerichtet" hat. "Zwangsläufig" führt das Bedienen eines Autoradios nicht zu einem Verreißen der Lenkung. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die für eine gesteigerte Gefahrenlage sprechen, so dass von einer unverständlichen Sorglosigkeit auszugehen wäre.
Rz. 1269
LG Kiel
Benutzt der Führer eines Pkw (1) verbotswidrig ein Mobiltelefon während der Fahrt und ereignet sich dabei ein Unfall, ohne dass sich andere Unfallursachen ermitteln lassen, wird vermutet, dass der Fahrer aufgrund der Handybenutzung abgelenkt und nur eingeschränkt reaktionsfähig war. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass er das andere Fahrzeug zu spät erkannt hat, obwohl dessen Fahrer plausibel und nachvollziehbar geschildert hat, dass er sich in die Kreuzung hineingetastet und den Fahrer (1) auf sich zukommen gesehen habe. Außerdem spricht für die eingeschränkte Reaktionsfähigkeit der Umstand, dass Fahrer (1) sein Fahrzeug auf dem Kreuzungsbereich nicht weiter nach rechts gelenkt hatte, um einen Zusammenstoß mit dem anderen Fahrzeug zu vermeiden.
Rz. 1270
LG Leipzig
Kommt der Fahrer eines Sattelschleppers von der Autobahn ab und fährt auf einen Acker, liegt nicht in jedem Fall grobe Fahrlässigkeit vor. Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem, ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen wird und einfachste Überlegungen nicht angestellt wurden. Davon ist indes nicht auszugehen, wenn neben dem Bedienen des Radios keine erschwerenden Umstände hinzukommen.
Rz. 1271
AG Berlin-Mitte
Kommt es zu einem Unfall zwischen einem Linksabbieger (2), der eine Staulücke zum Abbiegen nutzt, und einem an dem Stau zu schnell vorbeifahrenden Fahrzeug (1), dessen Fahrer zudem telefoniert, dann haftet der Linksabbieger zu ⅔. Dieser hat den Unfall dadurch mitverschuldet, dass er nach links abgebogen ist, ohne die Vorfahrt des aus dem Gegenverkehr kommenden Fahrers (1) zu beachten und dadurch gegen § 9 Abs. 3 StVO verstoßen hat. Den Fahrer (1) trifft jedoch ein Mitverschuldensanteil, weil er an einer haltenden Kolonne vorbeigefahren ist, ohne seine Geschwindigkeit so einzurichten, dass er gefahrlos vor der Lücke im Stau, die Fahrer (2) zum Überqueren der Fahrbahn benutzte, hätte anhalten können. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Fahrer (1) seine Geschwindigkeit der ...