Rz. 1731
Streufahrzeug/Sonderfahrzeug/Schäden an geparkten Fahrzeugen durch Granulat
Rz. 1732
BGH
Schäden durch Auswerfen von Streugut werden von der Halterhaftung des Streufahrzeugs (2) erfasst. Für auch bei vorsichtigem Streuen unvermeidbare Schäden besteht keine Haftung gegenüber den Eigentümern ordnungsgemäß geparkter Kfz (1). Den Beweis für die Unvermeidbarkeit muss der Halter des Streufahrzeugs führen.
Rz. 1733
KG
Der Fahrer eines zunächst in zweiter Reihe haltenden und dann anfahrenden Müllfahrzeuges unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht den in § 10 StVO geregelten besonderen Sorgfaltspflichten, sondern den Pflichten aus §§ 35 Abs. 8, 1 StVO. Das Einfahren ist räumlich erst beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat und jede Einflussnahme des Einfahrvorgangs auf den fließenden Verkehr ausgeschlossen ist.
Rz. 1734
KG
Der Streupflichtige haftet für Lackschäden, die entweder durch direkten Wurf oder durch Hochschleudern von vorhandenem Granulat eintreten, wenn der Führer des Streufahrzeugs eine nicht an die Verkehrsverhältnisse angepasste Geschwindigkeit einhält. Wenn ein Schaden durch den Streuvorgang eintritt, ist zugleich von einer Ursache auszugehen, die sich gerade aus dem Betrieb des Streufahrzeugs ergibt. Dem steht nicht die Rechtsprechung entgegen, dass ein Autobesitzer es hinnehmen muss, dass an seinem abgestellten Fahrzeug durch das im allgemeinen Interesse durchgeführte Streuen kleinere Lackschäden entstehen. Denn eine solche Rechtsprechung setzt gerade die Anerkennung einer Haftung des Trägers der Streupflicht voraus, wenn sie Ersatzansprüche bei Übermaß bejaht. Nach der neueren Rechtsprechung liegt ein solches Übermaß dann vor, wenn etwa – wie hier – Streugut bis zur Windschutzscheibe gelangt und diese beschädigt, weil die Geschwindigkeit des Streuwagens zu hoch war.
Rz. 1735
OLG Köln
Verursacht das von einem Streufahrzeug ausgeworfene Streugut an einem geparkten Pkw Lackschäden, so ist darin eine Verwirklichung der Betriebsgefahr des Streufahrzeugs zu sehen. Der Begriff des Betriebs eines Kfz im Sinne des § 7 StVG ist normativ auszulegen, um die Verkehrsteilnehmer weitestgehend gegen alle Gefahren zu schützen, die von Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr ausgehen. Soweit eine Haftung für Schäden durch Streumaterial bisher abgelehnt wurde, wurde die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG in der Regel nicht geprüft, der Betriebsbegriff zu eng verstanden oder auf eine nicht gegebene Einwilligung des geschädigten Verkehrsteilnehmers abgestellt. Eine Haftung nach § 39 Abs. 1 OBG NW oder nach den allgemeinen Grundsätzen über enteignende und enteignungsgleiche Eingriffe und nach §§ 823 f. BGB neben der Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG ist nicht ausgeschlossen.
Rz. 1736
BGH
Schäden, die durch das Auswerfen von Streugut aus einem Streu-Kfz entstehen, werden von der Halterhaftung nach Maßgabe des § 7 StVG erfasst. Für Schäden, die sich nach dem Schadensbild auch bei vorsichtigem Streuen nicht vermeiden lassen, ist die Haftung gem. § 7 Abs. 2 StVG allerdings ausgeschlossen. Das Auswerfen des Streuguts, wie es hier zu einem Schaden des Kl. geführt hat, lässt sich von den Eigenschaften des Streuwagens als Kfz und Beförderungsmittel nicht sinnvoll trennen. Nach alledem ist der Haftungstatbestand des § 7 Abs. 1 StVG erfüllt. Schäden durch Streugut sind in diesem Sinne Ausfluss der allgemeinen Belastung des Straßenverkehrs durch winterliche Verhältnisse, zu deren Entschärfung den Gemeinden im Interesse aller Kfz-Eigentümer und Verkehrsteilnehmer Pflichten auferlegt sind, die sich unter den Gegebenheiten des heutigen Straßenverkehrs sinnvoll nur mit Hilfe von Streufahrzeugen erfüllen lassen.
Hinweis
Die Entscheidung stammt aus einer Zeit, zu der § 7 Abs. 2 StVG den Unabwendbarkeitsbeweis zuließ. Nachdem dies nach dem neuen § 7 Abs. 2 nur noch bei höherer Gewalt möglich ist, würde die Entscheidung nach der Neugestaltung der Haftung aus § 7 StVG eventuell anders ausfallen.
Rz. 1737
OLG Koblenz
Fährt der Fahrer des Räumfahrzeugs so schnell, dass beim Einsatz des Schneepfluges auf der Autobahn Schnee- und Eisbrocken auf die Gegenfahrbahn gelangt sind, haftet der Betreiber zu 100 % für die Beschädigung eines Kfz auf der Gegenfahrbahn. Ein Mitverschulden und die Anrechnung der Betriebsgefahr des auf der Gegenfahrbahn überholenden Fahrzeugs scheiden aus, wenn ein Hinüberschleudern der Schnee- und Eisbrocken durch den Fahrer des Räumfahrzeugs vermeidbar war und der Fahrer des Unfall-Kfz keinen Verkehrsverstoß im Rahmen des Überholmanövers begangen hat.
Rz. 1738
LG Aachen
Wird ein Reisebus durch von einem Schneeräumfahrzeug auf der linken von drei Spuren der Gegenfahrbahn einer Autobahn aufgeschleudertes Räumgut beschädigt, so haftet das verkehrssicherungspflichtige Bundesland zu 75 %, der Reisebusunternehmer zu 25 %. Indem der Fahrer des Räumfahrzeugs die Autobahn zur Mitte hin in der Weise räumte, dass solche Mengen Räumgutes auf die Gegenfahr...