Rz. 137

Erfüllt der Rechtsanwalt den Anwaltsvertrag in Form des Geschäftsbesorgungsvertrages nicht ordnungsgemäß, d.h. unterlaufen ihm schuldhaft Fehler in der Interessenwahrnehmung, so haftet er dem Mandanten auf Ersatz des aus seiner fehlerhaften Mandatsbearbeitung entstehenden Schadens nach §§ 280 ff. BGB.

 

Rz. 138

Dieses Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes ist erheblich. Die Rechtsprechung hat eine Vielzahl von Pflichten als Teil der anwaltlichen Interessenwahrnehmung normiert, die sich als Haftungsrisiko darstellen.

 

Rz. 139

Der Rechtsanwalt hat den Mandanten in seiner Rechtssache grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten. Insbesondere sind Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- oder Rechtslage Anlass gibt, sowie mögliche mit der Einleitung eines Rechtsstreits verbundene Risiken darzulegen. Erscheint eine beabsichtigte Klage oder eine beabsichtigte Rechtsverteidigung wenig aussichtsreich, so muss der Rechtsanwalt hierauf sowie auf die damit verbundenen Gefahren hinweisen.[161] Für den Anwalt ist wesentlich, dass er die Erfüllung seiner Pflichten in besonderer Weise dokumentiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mandant auf einem bestimmten Vorgehen entgegen dem anwaltlichen Rat besteht.

[161] BGHZ 97, 372; BGH WM 1995, 398; BGH WM 1997, 1392, 1393; BGH NJW 1998, 900, 901; BGH WM 2003, 1628 = MDR 2003, 928 = NJW-RR 2003, 1212 = BRAK-Mitt 2003, 165.

1. Besondere Anforderungen an die Fristenkontrolle

 

Rz. 140

Besondere Sorgfaltspflichten obliegen dem Anwalt im Bereich der Fristenkontrolle, einschließlich der Verjährungsfristen des materiellen Rechtes. Insbesondere hinsichtlich der Verjährungsfristen muss berücksichtigt werden, dass nach § 204 Abs. 1 BGB die Rechtsverfolgung die Verjährungsfrist lediglich hemmt, aber nicht unterbricht.

 

Rz. 141

Wie der Rechtsanwalt seine Fristenkontrolle organisiert, bleibt allein ihm überlassen. Mit der Fristeintragung und -überwachung darf er nur voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen.[162] Dazu wird er allgemeine Anweisungen zu erlassen haben, wie die Fristenkontrolle zu organisieren ist und welche Kontrollmechanismen zu implementieren sind. Wird der Rechtsanwalt diesen Anforderungen an die Organisation der Fristenkontrolle nicht gerecht, so wird ihm dies und über § 85 Abs. 2 ZPO dann auch seinem Mandanten als Verschulden zugerechnet.

 

Rz. 142

Es würde den Rahmen dieses Werkes sprengen, alle Anforderungen an die Organisation der Fristenkontrolle referieren zu wollen.[163] Auf besondere Aspekte aus der aktuellen Rechtsprechung soll allerdings hingewiesen werden:[164]

Der Rechtsanwalt kann die Berechnung und Notierung einfacher[165] und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten überlassen.[166] Er muss aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden; unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals.[167] Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf der Anwalt darauf vertrauen, dass das zuständige Büropersonal die ihm übertragenen Aufgaben des Fristenwesens ordnungsgemäß erfüllt. Im Allgemeinen kann der Rechtsanwalt aber darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen richtig befolgt.[168]
Der Rechtsanwalt hat den Fristenlauf nicht bei jeder Vorlage der Handakten, sondern nur, aber auch immer dann eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden oder wenn sie ihm selbst bis zum Fristablauf oder einem ihm nahen Zeitpunkt vorliegen.[169]
Der Rechtsanwalt muss in der Regel die Einhaltung der Fristenüberwachung durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen. Ob eine Einzelanweisung ausreichend ist, hängt vom Inhalt der Einzelanweisung ab.[170]
Unentbehrliches Hilfsmittel für die Fixierung der Fristen sind in erster Linie der elektronische oder in Papierform geführte Fristenkalender sowie die Notierung der Fristen auf den Handakten des Anwalts.[171]
Die Eintragung der Frist im Fristenkalender ist von der damit beauftragten Angestellten durch einen Erledigungsvermerk – zweckmäßigerweise mit Handzeichen und Datumsangabe – an der Fristennotierung auf den Handakten kenntlich zu machen.[172] Bei Erfassung im elektronischen Kalender müssen die eingegeben Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls ausgedruckt werden, damit die Richtigkeit der Erfassung kontrolliert werden kann, andernfalls ist im Nichtausdruck ein Organisationsverschulden zu sehen.[173]
Die Streichung einer Frist darf erst dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass die Frist erledigt ist. Bei per Fax übermittelten fristgebundenen Schriftsätzen muss anhand des Sendeberichts und ggf. dem Akteninhalt geprüft werden, ob die Übermittlung vollständig u...

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