Rz. 3

Was ist das "nichteheliche Kind" und inwiefern steht dieses im Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft?

Auf den ersten Blick scheinen die Begriffe rechtlich miteinander verbunden. Doch bei genauerer Betrachtung ist dem nicht so. Denn ein Kind kann durchaus außerhalb einer Ehe geboren worden sein und trotzdem in einer Familie leben, deren Eltern miteinander verheiratet sind. Oder andersherum können neben gemeinschaftlichen Kindern der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch eheliche Kinder eines anderen Partners aus einer geschiedenen oder durch Tod aufgelösten Ehe oder Kinder, die ein Partner allein in einem nichtehelichen Status bekommen hat, leben.[3] Das außerhalb einer Ehe geborene Kind hat also gegenüber der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine eigenständige rechtliche Bedeutung. Und dennoch besteht ein deutlicher Bezug, erkennt man doch an der rechtlichen Stellung des "nichtehelichen Kindes" auch die damit einhergehende Bedeutung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als inzwischen rechtlich und gesellschaftspolitisch anerkannte Lebensform, sowie die sich wandelnde Form und Bedeutung von Familien.

 

Rz. 4

Den Beginn der bis heute andauernden rechtlichen Änderungen machte die Einführung des in Art. 6 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerten Auftrages des Gesetzgebers, in dem es heißt:

Zitat

"Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern."

 

Rz. 5

Dieser gesetzliche Auftrag stammt aus dem Jahr 1949. Der zweite Weltkrieg hatte die Gesellschaft jedenfalls in Deutschland nachhaltig verändert. Die bis dato geltenden Gesetze taten dieser Änderung nicht Genüge. Seither werden nach und nach durch Gesetzesreformen die rechtlichen Bedingungen der ehelichen und nichtehelichen Kinder einander angepasst. Die bisherige Anpassung vollzog sich oberflächlich betrachtet in drei Schritten: In einem ersten Schritt sollte die Mutter eines außerhalb einer Ehe geborenen Kindes mit derjenigen eines innerhalb einer Ehe geborenen Kindes gleichbehandelt werden. In einem zweiten Schritt war Schwerpunkt die Anpassung der rechtlichen Stellung des "unehelich geborenen" Kindes mit derjenigen des "ehelich" geborenen Kindes. Und in einem dritten Schritt schließlich stand der Vater des außerhalb einer Ehe geborenen Kindes im Focus, der ebenso wie die Mutter an der elterlichen Sorge mit eben jener Selbstverständlichkeit partizipieren sollte wie Väter ehelich geborener Kinder. Der Beschluss des BGH vom 8.2.2017 hätte der vierte Schritt sein können. Ihm lag die Frage zu Grunde, ob ein Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft das Kind des anderen Partners adoptieren kann, ohne dass das Verwandtschaftsverhältnis zu diesem erlischt. Denn diese Folge ist für die Ehe gesetzlich vorgesehen. Diese Gleichsetzung mit einer Ehe verweigerte der BGH aber.[4]

[3] Burhoff/Willemsen, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Rn 696.
[4] BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15.

I. Ausgangspunkt

 

Rz. 6

Ursprünglich galten das nichtehelich geborene Kind und sein leiblicher Vater als nicht miteinander verwandt. Folge war das Fehlen einer rechtlichen Bindung mit der Konsequenz, dass das nichteheliche Kind gegen seinen Vater und dessen Erben weder erb- noch unterhaltsrechtliche Ansprüche hatte. Mit der Mutter hingegen war das Kind zwar verwandt. Aber das Gesetz gestattete es dieser nicht, die elterliche Sorge für das Kind alleine und in Vollständigkeit auszuüben. Ihr stand die Personensorge für ihr Kind zu. Die restliche Entscheidungsgewalt, also das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Vermögenssorge, wurde von Amts wegen mit der Geburt des Kindes auf einen Vormund übertragen. Faktisch bedeutete das: die Mutter durfte für ihr Kind sorgen, es ernähren und pflegen, war also dafür verantwortlich, dass es gesund war und blieb. Aber alles, was mit Geldausgaben oder grundsätzlichen Entscheidungen, die den Lebensweg des Kindes betrafen, wie den Schulbesuch oder auch der Wohnort, oder gar die Verwaltung von Vermögen des Kindes, stand nicht in ihrer Gewalt. Hierüber entschied ein Vormund. Der Vater hatte die Möglichkeit, in Form eines "Gnadenaktes" das Kind für ehelich erklären lassen. Dem Kind entstanden dadurch Unterhaltsansprüche und gegebenenfalls erbrechtliche Ansprüche. Kehrseite dieses "Gnadenaktes" des Vaters war aber, dass zeitgleich die Mutter die ihr obliegende Personensorge verlor.[5] Die elterliche Gewalt, wie die elterliche Sorge damals noch hieß, ging vom Vormund auf den Vater über.

[5] BVerfGE 84, 168.

II. Familienrechtsänderungsgesetz 1961

 

Rz. 7

Mit Ende des zweiten Weltkrieges war dieses Regelungssystem nicht mehr zeitgemäß. Viele Frauen waren alleinerziehend, die Zahl der außerhalb einer Ehe geborenen Kinder stieg an. Trotzdem wurde der Mutter eines nicht in der Ehe geborenen Kindes erst 1961 durch das Familienrechtsänderungsgesetz die Möglichkeit eröffnet, die Übertragung des Sorgerechts für ihr Kind – damals noch die elter...

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