Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Erziehungsrente gem § 47 Abs 1 SGB 6. Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbehandlung von geschiedenen Ehegatten und getrennten Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. keine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung unehelicher Kinder
Leitsatz (amtlich)
1. Mangels Erfüllens der persönlichen Voraussetzungen besteht kein Anspruch auf Erziehungsrente einer getrennt lebenden Partnerin einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Falle des Versterbens des Ex-Partners.
2. Es liegt kein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG durch § 47 Abs 1 SGB 6 vor. Die Ungleichbehandlung von geschiedenen Ehegatten und getrennten Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist aufgrund des verfassungsmäßigen Schutzes der Ehe gerechtfertigt.
3. Es besteht keine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung unehelicher Kinder durch § 47 Abs 1 SGB 6.
4. Ein Verstoß gegen Art 6 Abs 5 GG ist durch § 47 Abs 1 SGB 6 nicht gegeben.
Orientierungssatz
Die Ehe darf aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Schutzes gegenüber anderen Lebensformen begünstigt werden (vgl BVerfG vom 7.7.2009 - 1 BvR 1164/07 = BVerfGE 124, 199).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erziehungsrente hat.
Die am ... geborene Klägerin ist die Mutter des am ... geborenen ... und der am ... geborenen ... Sie ist ledig und war weder mit ... Vater noch mit dem Vater von ... verheiratet. Am 06.01.2008 ist der Vater von ... (der am ... geborene ...) verstorben. Deswegen beantragte die Klägerin am 26.08.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) eine Erziehungsrente. Bei Antragstellung gab sie an, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu beziehen und außerdem eine geringfügige Beschäftigung beim Kinderschutzbund ... auszuüben.
Mit Bescheid vom 15.10.2008 wurde die beantragte Erziehungsrente abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen nicht, da sie mit dem Verstorbenen nicht verheiratet gewesen sei und somit keine Scheidung erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 10.11.2008 Widerspruch und führte zu dessen Begründung aus, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz vor, dass nichteheliche Kinder ehelichen Kindern gleichzustellen seien. Bei der Gewährung einer Erziehungsrente ausschließlich an geschiedene Mütter beziehungsweise Witwen würde dies zu einer finanziellen Besserstellung von deren Kindern gegenüber Kindern führen, deren Eltern nicht miteinander verheiratet gewesen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2009 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 16.02.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zu deren Begründung trägt sie vor, es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 6 Grundgesetz (GG) vor. Eheliche Kinder seien nichtehelichen Kindern insoweit gleichzustellen. § 47 Abs. 1 SGB VI sei insoweit verfassungswidrig.
Aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bayrischen Landessozialgerichts an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 30.09.2009 (Az.: L 1 R 204/09) wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 15.03.2010 auf Antrag beider Beteiligter ruhend gestellt.
Am 12.12.2012 wurde der Rechtsstreit durch die Beklagte wieder aufgerufen, nachdem das BVerfG am 02.05.2012 die Vorlage als unzulässig erklärt hat (Az.: 1 BvL 20/09).
Die Klägerin hält an ihrer Klage fest und führt ergänzend aus, das BVerfG habe die Vorlage des Bayrischen LSG für unzulässig erklärt. Eine Sachentscheidung sei nicht ergangen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009 zu verurteilen, ihr eine Erziehungsrente ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009 entscheiden hat, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erziehungsrente hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Erziehungsrente, da sie die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
1. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn (1) ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist, (2) sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI), (3) sie nicht wieder geheiratet haben und (4) sie bis zum Tod des ge...