Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur Erziehungsrente nach § 47 Abs 1 SGB 6 aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nichteheliche Lebensgemeinschaft. Ungleichbehandlung. Schutz von Ehe und Familie

 

Orientierungssatz

Die Regelung zur Erziehungsrente nach § 47 Abs 1 SGB 6 verstößt nicht gegen Art 6 Abs 5 GG und auch nicht gegen Art 6 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG (vgl SG Karlsruhe vom 19.11.2014 - S 12 R 4487/12 = juris RdNr 20).

 

Normenkette

SGB VI § 47 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, 5

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.08.2016; Aktenzeichen B 13 R 154/16 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Erziehungsrente hat.

Die 1979 geborene Klägerin ist die Mutter des 2010 geborenen T. W., dessen Vater S. P. am 11. April 2011 verstorben ist. Die Klägerin war mit dem Vater ihres Sohnes nicht verheiratet, lebte mit ihm aber in einer Lebensgemeinschaft.

Am 30. Januar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Erziehungsrente wegen Erziehung eines Kindes nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten/früheren Lebenspartner.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Erziehungsrente ab, weil die Klägerin nicht nach dem 30. Juni 1977 geschieden worden sei, denn sie sei nie verheiratet gewesen bzw. habe nie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gelebt. Dagegen legte die Klägerin am 6. März 2013 Widerspruch ein, den sie nicht begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2013 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Neue Tatsachen seien nicht vorgetragen worden. Eine Überprüfung sei daher nur nach der bekannten Sachlage möglich. Hiernach sei der Bescheid nicht zu beanstanden.

Dagegen hat die Klägerin am 6. August 2013 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, allein die Tatsache, dass sie nicht mit dem Vater ihres Sohnes verheiratet gewesen sei, rechtfertige nicht ihre Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die vor dem Tod des Partners mit diesem verheiratet und danach geschieden worden seien.

Mit Urteil vom 9. März 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, gemäß § 47 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) hätten Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Erziehungsrente, wenn ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben sei, sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen würden, sie nicht wieder geheiratet und sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten. Nach den vorliegenden Unterlagen seien sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Erziehungsrente, bis auf den Umstand, dass es an der Scheidung einer Ehe fehle, erfüllt. Da die Klägerin mit dem Vater des gemeinsamen Kindes nicht verheiratet gewesen sei, fehle es an dem Merkmal der geschiedenen Ehe, sodass die Beklagte den Antrag auf Zahlung einer Erziehungsrente auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Regelung zu Recht abgelehnt habe. Die gesetzliche Regelung sei in dieser Hinsicht angesichts des eindeutigen Wortlauts einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich.

Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass diese gesetzliche Regelung verfassungswidrig sei, sodass eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht nicht zu erfolgen habe. Zutreffend weise die Klägerin darauf hin, dass eine Ungleichbehandlung gegenüber demjenigen Personenkreis vorliege, dessen Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden sei und der daher bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen nach § 47 Abs. 1 SGB VI einen Anspruch auf eine Erziehungsrente habe. Diese Ungleichbehandlung sei allerdings gerechtfertigt, da der Gesetzgeber gemäß Artikel 6 Grundgesetz (GG) an das Institut der Ehe bestimmte rechtliche Regelungen anknüpfen könne, die neben Verpflichtungen, die nicht verheiratete Partner eben nicht treffen würden, auch Begünstigungen zur Folge haben könnten. Die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI ersetze den durch den Tod des geschiedenen Ehegatten nach § 1570 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestehenden Unterhaltsanspruch. Ein derartiger Unterhaltsanspruch bestehe zwischen nicht verheirateten Partnern bzw. Lebenspartnern eben nicht, so dass dieser auch nicht wegfallen könne mit der Folge, dass keine Erziehungsrente zu zahlen sei. Es bestehe keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft mit Eheleuten gleichzustellen, da die Wahl der Form des Zusammenlebens von den Beteiligten bewusst gewählt worden sei. Wenn also zwei Personen in einer Partnerschaft für sich entscheiden würden, sich nicht den rechtlichen Regelungen des Instituts einer Ehe unterwerfen zu wollen, sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sie im...

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