Leitsatz (redaktionell)

1. Einen Anspruch auf Erziehungsrente haben gem. § 47 Abs. 1 SGB VI nur Personen, die in einem Eheverhältnis gelebt haben.

2. Partner anderer Beziehungen werden dadurch nicht benachteiligt, da ihnen das Eingehen einer Ehe mit ihren Privilegien ebenso offenstand. Eine Verfassungswidrigkeit ergibt sich daher nicht.

 

Normenkette

SGB VI § 47 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 5, 1, Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.07.2023; Aktenzeichen B 5 R 31/23 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Erziehungsrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Der am 00.00.1971 geborene, ledige Kläger lebte jedenfalls seit 2016 bis zu deren Tod am 00.06.2018 mit der am 00.00.1977 geborenen, ebenfalls ledigen R (Versicherte) sowie außerdem mit beider am 00.00.2010 geborenen Sohn an derselben Meldeadresse. Seit dem Tod lebt der Kläger mit beider Sohn dort zusammen, dem die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2018 Halbwaisenrente ab 01.07.2018 gewährte.

Im Zeitpunkt der Geburt des Sohnes war der Kläger versicherungspflichtig beschäftigt. Von Juni 2015 bis Ende September 2015 bezog er Arbeitslosengeld, danach war er bis Februar 2016 wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Bis Ende November 2017 bezog er im Wechsel Krankengeld und Arbeitslosengeld, anschließend war er von Dezember 2017 bis Mitte September 2018 wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Danach bezog er bis Juni 2019 Kranken- und Arbeitslosengeld mit einer Unterbrechung durch versicherungspflichtige Beschäftigung im November/Dezember 2018. Seither weist sein Versicherungsverlauf Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug aus.

Im Juni 2018 wandte sich der Kläger an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und beantragte die Gewährung einer Erziehungsrente wegen Erziehung eines Kindes nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten bzw. früheren Lebenspartners. Die DRV Bund leitete den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter. Auf die Aufforderung der Beklagten, eine Heiratsurkunde und Unterlagen zu einer erfolgten Scheidung vorzulegen (Schreiben vom 18.07.2018) teilte der Kläger am 25.07.2018 mit, seinem Antrag sei trotz fehlendem Trauschein stattzugeben, da das Bayerische Landessozialgericht (LSG) so entschieden habe (L 1 R 204/09). Die angeforderten Unterlagen könne er nicht beifügen, da er nicht verheiratet gewesen sei, er habe aber den gleichen sozialen Status wie ein Geschiedener, bloß verantwortungsvoller.

Mit Bescheid vom 24.08.2018 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erziehungsrente nach § 47 SGB VI ab. Die für eine Erziehungsrente gesetzlich geforderten Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil keine rechtskräftige Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft bestanden habe. Eine Erziehungsrente könne nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur geleistet werden, wenn es sich bei dem Verstorbenen entweder um die derzeitigen oder früheren Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner handele. Mit Beschluss vom 02.05.2012 - 1 BvG 20/09 - habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass der Normenkontrollantrag des Bayerischen LSG vom 30.09.2009 - L 1 R 204/09 - betreffend die Regelung der Erziehungsrente in § 47 SGB VI unzulässig sei. Zur Begründung habe das BVerfG ausgeführt, dass das Bayerische LSG seiner Darlegungspflicht nicht genügt habe, weil es in seiner Gleichheitsprüfung nicht alle in Betracht kommenden Leistungsvorschriften zur Hinterbliebenenversorgung einbezogen habe. Die Zahlung einer Erziehungsrente sei damit nicht möglich, wenn zu dem Verstorbenen - selbst bei gemeinsamer Erziehung von Kindern - zu keinem Zeitpunkt eine eheliche oder eingetragene lebenspartnerschaftliche Verbindung bestanden habe.

Den vom Kläger am 05.09.2018 eingelegten Widerspruch, den er damit begründete, die aktuelle Formulierung des § 47 SGB VI sei sozial ungerechtfertigt und verhindere die Gleichstellung der Rechte von Kindern, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2018 zurück. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 47 SGB VI könne eine Erziehungsrente nur geleistet werden, wenn es sich bei den Verstorbenen entweder um die derzeitigen oder früheren Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner handele; im Übrigen wiederholte die Beklagte ihre Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid.

Dagegen hat der Kläger am 03.12.2018 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 SGB VI sei in der derzeitigen Form verfassungswidrig; sie verstoße gegen Art. 6 Grundgesetz (GG) sowie gegen Art. 3 GG. Nach Art. 6 Abs. 5 GG seien den nichtehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. § 47 Abs. 1 SGB VI führe hingegen jedenfal...

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