Rz. 94
Das Gericht hat seine Entscheidung immer zum Wohle des Kindes zu treffen. Es darf also die elterliche Sorge nur auf beide Eltern gemeinsam übertragen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Wenn der Elternteil, dem der Antrag zugestellt worden ist, innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Stellungnahme abgibt und sich auch aus der Anhörung des Kindes oder sonst ersichtlich eine Kindeswohlgefährdung nicht erkennen lässt, besteht gemäß § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB die gesetzliche Vermutung, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht dem Kindeswohl widerspricht. Der Antrag wird positiv entschieden werden.
Rz. 95
Trotzdem aber ist Maßstab immer das Kindeswohl und es herrscht auch in diesem Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 26 FamFG. Es gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze, wobei eine sogenannte "negative Kindeswohlprüfung" durchzuführen ist. Das Familiengericht hat die Übertragung der gemeinsamen Sorge abzulehnen, wenn die Voraussetzungen für die Übertragung der elterlichen Sorge auf nur einen Elternteil vorliegen würden. Wichtige Kriterien für das Kindeswohl sind die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens. Diese Kriterien stehen nicht kumulativ nebeneinander, sondern können je nach Fall unterschiedlich in der Wertung Berücksichtigung finden. Da es sich aber um eine negative Kindeswohlprüfung handelt, wird zwar eine tragfähige Beziehung zwischen den Eltern vorausgesetzt, im Übrigen aber nur ein Mindestmaß an Übereinstimmung. Nur ein nachhaltiger Elternkonflikt, der dazu führt, dass es im Verhältnis der Eltern an einer Grundlage für ein Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohls fehlt, kann dem Kindeswohl und damit der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge widersprechen.
Rz. 96
Selbst wenn also Kommunikationsprobleme zwischen den Eltern bestehen, reicht allein dies nicht aus, die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu versagen. Nur wenn die Kommunikationsebene derart gravierend und nachhaltig gestört ist, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, kann die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge aus diesem Grund abgelehnt werden. Ansonsten aber wird den Eltern wie voneinander getrennt lebenden Eltern, die von Anfang das gemeinsame Sorgerecht hatten, abverlangt, auch schwierige Entscheidungsfindungen gemeinsam zu tragen.