Mallory Völker, Monika Clausius
a) Entführungsgefahr/Entführung
Rz. 164
Droht nachweisbar eine Entführung, so kann das Umgangsrecht ausgeschlossen werden, insbesondere wenn bereits eine Entführung vorangegangen war. Der Umstand allein, dass der Vater die Mutter entführt hat, um so das Umgangsrecht zu erzwingen, ist allerdings für einen Ausschluss nicht automatisch ausreichend, da die Entführung keinen unmittelbaren Einfluss auf die Rechtsposition des Kindes hat. Die Anforderungen an eine Entführungsgefahr dürfen zudem nicht zu niedrig angesetzt werden. Allein die Tatsache, dass der Umgangsberechtigte aus dem Ausland stammt und nach dorthin unverändert enge Beziehungen unterhält, genügt nicht. Zumindest ist erforderlich, dass mit einer solchen Entführung gedroht wird, sie zu einem früheren Zeitpunkt bereits erfolgt ist oder eine Streitigkeit um die Rückführung des Kindes besteht. Ist ein Elternteil vor mehreren Jahren einer Rückführungsanordnung nach dem HKÜ nachgekommen und sind seither keine Entführungsversuche mehr unternommen worden, so kann nicht ohne weitere Anhaltspunkte im Tatsächlichen die Gefahr einer erneuten Entführung unterstellt werden. Dies gilt verstärkt, wenn bereits regelmäßig unbegleitete Umgangskontakte stattgefunden haben.
Rz. 165
Zu prüfen ist jeweils, inwieweit einer Entführungsgefahr durch sonstige Maßnahmen angemessen begegnet werden kann. In Betracht kommt hierbei etwa die Beschränkung des Umgangs auf ganz oder einen Teil Deutschlands, verbunden mit der Untersagung, mit dem Kind Deutschland zu verlassen. Gegebenenfalls kann auch die Passhinterlegung angeordnet werden. Etwaigen Bedenken wegen der Passhoheit eines ausländischen Staates ist entgegenzuhalten, dass durch diese Maßnahme der weitaus einschneidendere Ausschluss des Umgangsrechts vermieden werden kann. Eine behauptete Entführungsgefahr muss immer an konkreten Tatsachen festgemacht werden können. Insoweit darf sich das Gericht nicht ungeprüft auf Äußerungen stützen, die der insoweit beschuldigte Elternteil dem Verfahrensbeistand gegenüber gemacht hat und die von diesem dem Gericht mitgeteilt wurden, von jenem Elternteil aber bestritten werden. Denn es ist nicht Aufgabe des Verfahrensbeistandes, den Willen der Eltern zu ermitteln, sondern nur den des Kindes. In solchen Fällen muss daher der beschuldigte Elternteil vom Gericht angehört und ihm die von dem Verfahrensbeistand berichtete Äußerung vorgehalten werden. Bestreitet der Elternteil weiterhin, ist der Verfahrensbeistand förmlich als Beteiligter zu vernehmen (§ 30 Abs. 3, Abs. 1 FamFG i.V.m. § 448 ZPO). Kam es bereits zu einer Entführung, so kann dem Umgangsberechtigten zugemutet werden, bis zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens das Umgangsrecht nicht wahrzunehmen, insbesondere wenn das Kind ohnehin durch die elterlichen Spannungen traumatisiert ist. Dann kann ein Umgangsausschluss auch für längere Zeit in Betracht kommen. Allerdings ist dann dem Obhutselternteil aufzugeben, das Kind therapieren zu lassen; nicht hingegen sich selbst, denn hierfür ermangelt es einer Rechtsgrundlage (vgl. dazu § 1 Rdn 206). Ist keine Traumatisierung des Kindes festzustellen, so kommt auch ein begleiteter Umgang in Betracht (siehe dazu Rdn 185 ff.), zumal – strikt kindeswohlzentriert – zu beachten ist, dass gerade auch im Fall einer Entführung zuweilen beachtliche Bindungen zwischen dem Kind und seinem entführenden Elternteil entstanden oder vertieft worden sein können.
b) Sexueller Missbrauch und pädophile Neigungen
Rz. 166
Allein die Gefahr oder der Verdacht des sexuellen Missbrauchs ist nicht geeignet, einen völligen Ausschluss des Umgangs zu rechtfertigen. Abzuwägen ist der bestehende Tatverdacht gegen etwaige seelische Belastungen des Kindes durch den Abbruch bzw. die Fortsetzung der bisherigen Begegnungen. "Sexualisierte" Verhaltensweisen von Kindern können allerdings je nach den konkreten Umständen auch Ausdruck eines Entwicklungs- und Reifeprozesses sein; sie sind nich...