Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 59
Ein Feststellungsantrag nach § 4 KSchG und ein Antrag auf Verurteilung zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits sind keine identischen Ansprüche und bilden auch keine wirtschaftliche Einheit. Die fehlende wirtschaftliche Identität folgt insbesondere daraus, dass dann, wenn der Arbeitnehmer mit seinem Feststellungsantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag erstinstanzlich obsiegt, ihm auch dann ein Vergütungsanspruch zusteht, wenn letztlich rechtskräftig festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden ist. In diesem Fall besteht grundsätzlich auch kein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers. Vorteile können sich für den Arbeitnehmer in solchen Fällen auch hinsichtlich der Höhe und der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld ergeben.
Rz. 60
Bei einem Weiterbeschäftigungsantrag wird teilweise danach differenziert, ob dieser als unechter Hilfsantrag oder unbedingt gestellt worden ist. Das LAG Niedersachen geht davon aus, dass ein unechter Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung zumindest dann streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist, wenn das Verfahren durch Vergleich endet. Dabei liegt die zutreffende Überlegung zu Grunde, dass im Rahmen des Vergleiches der gesamte Rechtsstreit der Parteien berücksichtigt wird. Dazu gehört dann aber auch der hilfsweise gestellte Weiterbeschäftigungsantrag. Die gegenteilige Auffassung wird vom LAG Köln vertreten.
Rz. 61
Von Rechtsschutzversicherungen wird deshalb bisweilen verlangt, dass der Antrag als unechter Hilfsantrag gestellt wird. Zutreffend weist das LAG Niedersachsen darauf hin, dass ein Hilfsantrag nur vorliegt, wenn ein Kläger ein Hauptbegehren stellt und nur für den Fall, dass der Hauptantrag unzulässig oder unbegründet ist, hilfsweise einen weiteren Antrag ankündigt. Kennzeichnend für den Hilfsantrag ist damit, dass von zwei möglichen Ansprüchen des Klägers nur einer entsprechend dem Klagebegehren zum Erfolg führen soll. Den unechten Hilfsantrag kennzeichnet dagegen, dass ein Obsiegen mit dem zweiten Antrag (Beschäftigung) nur möglich ist, wenn auch die Klage hinsichtlich des ersten Begehrens (Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung) erfolgreich ist. Es liegt damit eine kumulative Klagehäufung vor und nicht ein Verhältnis von Haupt- zu Hilfsantrag.
Tipp
Als Rechtsanwalt kann man sich gegenüber der Rechtsschutzversicherung auf die Ansicht berufen, die auch das LAG Niedersachsen vertritt, wonach bei einer beantragten Weiterbeschäftigung im Falle des Obsiegens kein Fall eines Hilfsantrages vorliegt und man als Rechtsanwalt deshalb die Weiterbeschäftigung nur unbedingt beantragt.
Rz. 62
Teilweise verlangen Rechtsschutzversicherungen auch, dass ein Weiterbeschäftigungsantrag erst nach gescheiterter Güteverhandlung gestellt wird. Eine abweichende Antragstellung sehen Rechtsschutzversicherer teilweise als Obliegenheitsverletzung an. Dem ist entgegen zu halten, dass es die Möglichkeit eines Versäumnisurteils gibt und auch nach der Güteverhandlung gleich eine Kammerverhandlung stattfinden kann oder der Vorsitzende allein entscheidet. Der Rechtsanwalt muss den sichersten Weg gehen und das Abwarten mit einem Klageantrag ist nicht sicher, sondern riskant. Zudem macht der Weiterbeschäftigungsantrag dem Arbeitgeber deutlich, welche Möglichkeiten der Arbeitnehmer hat und wie er diese durchsetzen kann. Dies erhöht die Vergleichsbereitschaft des Arbeitgebers schon in der Güteverhandlung.
Rz. 63
Der Wert des Weiterbeschäftigungsantrages ist im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens unter Berücksichtigung der Höchstgrenze für Kündigungsschutzverfahren (§ 42 Abs. 2 GKG) und der erheblich geringeren Bedeutung der bloßen Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Kündigungsschutzprozesses in aller Regel mit einem Brutto-Monatsgehalt anzusetzen. Auch wenn der Weiterbeschäftigungsanspruch mit einer Kündigungsschutzklage als unechter Hilfsantrag geltend gemacht wird, so sind die Werte beider Ansprüche selbstständig zu bewerten und zu addieren. Der Weiterbeschäftigungsantrag wird auch hier zutreffend mit einem Bruttomonatseinkommen bewertet. Diese Ansicht findet sich auch im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit (im Anhang, siehe § 9 Rdn 1 f.) wieder. Teilweise wurden in der Vergangenheit zwei Bruttomonatseinkommen für angemessen gehalten. Zum Teil wurde auch vertreten, der Antrag auf Weiterbeschäftigung wirke sich nicht streitwerterhöhend aus. Eine Bewertung der Kündigungsschutzklage mit drei Gehältern und des Weiterbeschäftigungsantrages mit zwei Gehältern billigt auch das Bundesarbeitsgericht. Allerdings ist zu erwarten, dass diese Ansichten mit dem Streitwertkatalog ihr Ende finden.