Rz. 414
Das Eltern-Kind-Verhältnis unterliegt gem. Art. 21 EGBGB dem Recht des Ortes, an dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dabei ist der Inhalt des Eltern-Kind-Statuts umfassend zu sehen. Er umfasst den gesamten Bereich der elterlichen Sorge. Dies betrifft das Entstehen, ihre Ausübung – die persönliche Sorge wie die Vermögenssorge, die Person des bzw. der Sorgeberechtigten, die Grenzen der Sorge und die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers, die gerichtliche Überwachung – und schließlich die Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes. Letzteres gilt dann insb. für die Entziehung der elterlichen Sorge oder die Verteilung der elterlichen Sorge im Rahmen der Scheidung der Eltern.
Rz. 415
Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 21 EGBGB wird durch eine Reihe von Sonderregeln eingeschränkt:
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Für den Namen des Kindes gilt nicht Art. 21 EGBGB, sondern gem. Art. 10 Abs. 1 EGBGB das Heimatrecht des Kindes. |
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Der Unterhaltsanspruch des Kindes unterliegt gem. Art. 3 HUntProt bzw. Art. 4 des Haager Unterhaltübereinkommens 1973 bzw. Art. 1 des Haager Kindesunterhaltsübereinkommens grundsätzlich dem am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes geltenden Recht. Ist nach dem durch Art. 3 HUntProt bestimmten Recht kein Anspruch gegeben, so greifen verschiedene subsidiäre Anknüpfungen ein (siehe ausführlicher Ring/Olsen-Ring, § 1 in diesem Buch). |
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Eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 21 EGBGB ergibt sich aus Art. 15 ff. KSÜ bzw. Art. 3 MSA. Danach haben die nach dem KSÜ (bzw. nach Art. 1 MSA) zuständigen Behörden für die Anordnung, die Änderung und die Beendigung der Schutzmaßnahmen ihr innerstaatliches Recht (lex fori) anzuwenden. Dieses Recht gilt auch für die Wirkungen der Maßnahmen im Verhältnis der Beteiligten zueinander und im Verhältnis zu Dritten. Zwar ist das KSÜ im Verhältnis zu den meisten Mitgliedstaaten des KSÜ durch die Brüssel IIa-VO verdrängt worden. Da die Brüssel IIa-VO jedoch allein die Zuständigkeit und Anerkennung regelt, nicht aber die Rechtsanwendung, bleiben nach – mittlerweile wohl überwiegender – Ansicht die Art. 15 ff. KSÜ im Verhältnis zu den Beitrittsstaaten des KSÜ anwendbar, soweit also das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Beitrittsstaaten hat und die Zuständigkeit des Gerichts auch nach den Regeln des KSÜ gegeben wäre. |
Rz. 416
Durch die Verweisung auf das Aufenthaltsrecht wird die Verweisung instabil. Ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts durch Umzug in einen anderen Staat führt mit Wirkung ex nunc zu einem Wechsel des Statuts des Eltern-Kind-Verhältnisses. Soweit allein der Umfang der elterlichen Sorge und die Befugnisse der Vormundschaftsgerichte und sonstigen Behörden betroffen ist, ist dies regelmäßig angemessen, denn der Statutenwechsel fördert die rechtliche Assimilation an die neue Umwelt und erleichtert die Durchführung eines Verfahrens, da das Gericht seine lex fori anwenden kann. Gravierender sind allerdings die Auswirkungen des Statutenwechsels, wenn sie auch zu einem Wechsel des Sorgeberechtigten führen, z.B. weil das ausländische neue Statut kein gemeinsames Sorgerecht nicht verheirateter Eltern aufgrund einer Sorgerechtserklärung i.S.v. § 1626a Abs. 1 BGB kennt oder aber das deutsche Recht als neues Statut ein gemeinsames Sorgerecht nicht verheirateter Eltern – anders als das belgische Recht – nur dann anerkennt, wenn zuvor eine Sorgerechtserklärung abgegeben worden ist.
Rz. 417
Umstritten ist, ob und inwieweit hier eine Kontinuität bewahrt werden kann. Wohl überwiegend wird hier angenommen, dass mit dem Statutenwechsel auch die damit einhergehenden Änderungen der Sorgeberechtigten hinzunehmen seien. Kenne das neue Statut eine Sorgeerklärung, sei eine unter dem alten Statut abgegebene Sorgeerklärung aber auch dann unter dem neuen Statut zu akzeptieren, wenn die Erklärung in Bezug auf Form etc. nur dem alten, nicht aber dem neuen Statut entspreche. Eine andere, weitergehende Ansicht will eine nach dem alten Statut wirksame gemeinsame Sorgeerklärung unter dem neuen Statut selbst dann fortgelten lassen, wenn das neue Statut eine derartige gemeinsame Sorge nicht kennt. Jedenfalls würde aber die nunmehr vorrangige Vorschrift in Art. 16 KSÜ hier die Fortgeltung sicherstellen.