Rz. 150
Das auf die allgemeinen Ehewirkungen anwendbare Recht bestimmt Art. 14 EGBGB. Eine vorrangige Abkommensvorschrift ergibt sich hier allein aus Art. 8 Abs. 3 des deutsch-persischen Niederlassungsabkommens (siehe Rdn 14). Praktische Auswirkungen ergeben sich hieraus allerdings nicht, da das Abkommen auf das Heimatrecht verweist und nach allgemeiner Ansicht nur einschlägig ist, wenn beide Eheleute ausschließlich iranische Staatsangehörige sind.
Rz. 151
Bis zur Neuregelung des IPR im Jahre 1986 wurde das auf die allgemeinen Ehewirkungen anwendbare Recht entsprechend dem Staatsangehörigkeitsprinzip an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, hilfsweise – also bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit – an die des Ehemannes angeknüpft. Da dies mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht vereinbar war, wurde eine Prüfung in Stufen geschaffen (Kegel’sche Leiter). Hiernach ist im Wege der Kaskadenanknüpfung ausgehend von der ersten Stufe an zu prüfen, ob die Kollisionsnorm der jeweils vorrangigen Stufe zu einem Ergebnis führt. Ist dies nicht der Fall, greift die jeweils subsidiäre nächstniedrigere Stufe ein. Nach der Neuregelung von Art. 14 EGBGB durch das Gesetz zur Umsetzung der EUGüVO stellt sich seit dem 29.1.2019 die Stufenanknüpfung in Art. 14 Abs. 2 EGBGB wie folgt dar:
Rz. 152
1. Stufe: Das am gewöhnlichen Aufenthalt beider Eheleute geltende Recht (Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB). Der gewöhnliche Aufenthalt der Eheleute bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (siehe Rdn 40). Zu beachten ist, dass die Eheleute nicht unbedingt einen gemeinsamen Aufenthalt haben oder gehabt haben müssen. Es genügt, dass dieser jeweils irgendwo im selben Staat liegt (die deutsche Ehefrau in Hamburg, ihr polnischer Ehemann in Frankfurt/Oder). Ziehen Eheleute mit unterschiedlichem Personalstatut gemeinsam in einen anderen Staat, wechselt das Ehewirkungsstatut mit Wirkung ex nunc. Es tritt ein Statutenwechsel ein.
Rz. 153
2. Stufe: Das am letzten gewöhnlichen Aufenthalt beider Eheleute geltende Recht (Art. 14 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB). Auch bei der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt gilt der "Trägheitsgrundsatz" und bleibt die Kontinuität erhalten: Heiraten eine Engländerin und ein Franzose, die in Deutschland leben, so gilt das deutsche Recht weiter, auch wenn der Ehemann nach Scheitern der Ehe nach Frankreich zurückkehrt. Kehrt allerdings auch die Ehefrau in ihre Heimat zurück, entfällt die Anknüpfung an den ehemals gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt. Diese kann dann allenfalls über Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 EGBGB noch Bedeutung behalten.
Rz. 154
3. Stufe: Das gemeinsame Personalstatut der Eheleute (Art. 14 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB). Das Gesetz spricht von dem "Recht des Staates, dem beide Eheleute angehören", also dem gemeinsamen Heimatrecht. Diese Formulierung ist jedoch irreführend. Zunächst ist zu beachten, dass bei einem Mehrstaater nur die gem. Art. 5 Abs. 1 EGBGB maßgebliche Staatsangehörigkeit berücksichtigt werden darf. Dabei wird eine durch Eheschließung vom Ehegatten erworbene Staatsangehörigkeit nicht unbedingt schon sofort die effektive sein.
Beispiel: Heiratet also eine Deutsche einen Schweizer und wird sie daraufhin Schweizer Bürgerin, so gilt sie für die Anknüpfung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB aus deutscher Sicht weiterhin ausschließlich als Deutsche. Die Anknüpfung auf dieser ersten Stufe scheitert. Die Eheleute können aber zumindest für die Wirkungen der Ehe das Schweizer Recht gem. Art. 14 Abs. 2 EGBGB wählen.
Rz. 155
Wird bei einem oder beiden Eheleuten die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit verdrängt (z.B. bei Flüchtlingen i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention und bei Asylberechtigten), so gilt bei ihnen das an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt geltende Recht als Heimatrecht (vgl. Rdn 88). Bei Staatenlosen kann nicht sofort auf die Aufenthaltsanknüpfung in Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB zurückgegriffen werden. Vielmehr ist auch hier zunächst die Staatsangehörigkeit im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB durch das gem. Art. 5 Abs. 2 EGBGB bzw. die Staatenlosenkonvention ermittelte Personalstatut zu ersetzen.
Rz. 156
4. Stufe: Das Recht des Staates, mit dem beide Eheleute auf andere Weise am engsten verbunden sind (Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 EGBGB). Hauptanwendungsfall für diese letzte Stufe ist, dass die Eheleute bei Heirat noch nicht im selben Staat leben, sondern erst später zusammenziehen wollen, z.B. weil die Ehefrau vor der Heirat noch nicht ihre Heimat verlassen will oder kann. Bisweilen kommt es auch vor, dass Personen im vorgerückten Alter eine "grenzüberschreitende Wochenendehe" schließen und jeder seinen Wohnsitz beibehält.
Rz. 157
Die Schwerpunktfindung erfolgt in einer Betrachtung sämtlicher Aspekte des Einzelfalls. Dies wird noch dadurch betont, dass der Gesetzgeber auf jegliche Beispiele oder Anhaltspunkte (wie z.B. Eheschließungsort) für die Bewertung der einzelnen Faktoren verzichtet hat. Regelmäßig wird nicht ein Faktor alleine den Ausschlag geben, sondern der Umstand, dass auf beiden Seiten ve...