Rz. 198

Am 2.3.2016 hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Verordnung im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts[264] vorgelegt ("EUGüVO"). Diese wurde vom Rat am 24.6.2016 im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit angenommen und ist daher seit dem 29.1.2019 in 19 EU-Mitgliedstaaten (vgl. dazu Rdn 10) anwendbar. Die EUGüVO regelt neben verfahrensrechtlichen Aspekten, wie die internationale Zuständigkeit der Gerichte, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Anerkennung öffentlicher Urkunden und gerichtlicher Vergleiche, auch die kollisionsrechtlichen Fragen des internationalen Güterrechts.

 

Rz. 199

Die Bestimmung des anwendbaren Rechts erfolgt nach den in Frankreich von Charles Dumoulin zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwickelten Grundsätzen, die auch den Inhalt der Haager Güterrechtskonvention von 1978 bilden und in gewisser Weise auch Art. 15, 14 EGBGB entsprechen. Art. 26 Abs. 1 EUGüVO enthält zur Bestimmung des Güterstatuts eine Anknüpfungsleiter für alle Fälle, in denen die Eheleute das anwendbare Recht nicht ehevertraglich vereinbart haben. Diese führt

1. zunächst zur Geltung des Rechts des Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
2. Haben sie einen solchen nicht binnen kurzer Zeit nach der Eheschließung begründet – diese Fälle dürften in der Praxis selten sein – gilt das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung besaßen.
3. Besaßen sie keine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder besaßen sie mehrere gemeinsame Staatsangehörigkeiten, so gilt höchst hilfsweise das Recht des Staates, mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Ortes der Eheschließung, auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind.

Da die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, die gem. Art. 15 EGBGB a.F. für vor dem 29.1.2019 geschlossene Ehen weiterhin vorrangig zu berücksichtigen ist, nach der EUGüVO erst in zweiter Linie maßgeblich ist, ergibt sich für künftig geschlossene Ehen eine Änderung in Bezug auf die aktuelle Rechtslage (sog. Sprossenwechsel).

Da die Anknüpfung auf den Beginn der Ehe fixiert ist, ergibt sich nach dem Verordnungsvorschlag ein unwandelbares Güterstatut. Eine Wandelbarkeit kann sich allerdings aus Art. 26 Abs. 3 EUGüVO ergeben, wenn die Eheleute schon erheblich länger in einem anderen Staat gelebt haben und sich beide Eheleute auf das Recht dieses anderen Staates bei der Gestaltung ihrer Vermögensangelegenheiten verlassen haben.

 

Rz. 200

Unter dem anzuwendenden Recht eines Staates sind gem. Art. 32 EUGüVO die in diesem Staat geltenden materiellen Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen. Rück- und Weiterverweisungen bleiben also unbeachtet.

 

Rz. 201

Gemäß Art. 22 EUGüVO bestimmt sich das Güterstatut vorrangig vor der "objektiven Anknüpfung" anhand einer von den Eheleuten getroffenen Rechtswahl. Die Eheleute, aber auch die Verlobten können das Recht des Staates wählen,

1. in dem sie beide oder einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
2. das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten oder künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt.

Eine statutenspaltende Rechtswahl für den Grundbesitz oder einzelne Grundstücke, wie sie gem. Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB bis zum 29.1.2019 zulässig war, ist nicht vorgesehen. Eine Rechtswahl kann gem. Art. 22 Abs. 2 EUGüVO sowohl vor als auch nach der Heirat getroffen werden. Dabei stehen die gleichen Rechtsordnungen zur Wahl. Die während der Dauer der Ehe getroffeneRechtswahl hat grundsätzlich nur Wirkung ex nunc (Art. 22 Abs. 2 EUGüVO). Die Eheleute können allerdings – unter Vorbehalt zugunsten wohlerworbener Rechte Dritter – ihr auch Rückwirkung verleihen, Art. 22 Abs. 3 EUGüVO.

 

Rz. 202

Die Rechtswahl kann nur ausdrücklich erfolgen (Art. 23 Abs. 1 EUGüVO). Sie muss die Formerfordernisse einhalten, die das Recht des Staates, in dem die Eheleute beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für den Abschluss eines Ehevertrages vorschreibt (Art. 19 Abs. 1 EUGüVO). Zumindest aber ist Schriftform einzuhalten. Die Berufung auf eine großzügigere Ortsform ist ausgeschlossen. Die gleichen formalen Anforderungen gelten für den Abschluss eines Ehevertrages, Art. 25 EUGüVO. Heiraten also in Deutschland lebende Eheleute in in einer Kirche in London oder in den Niederlanden bzw. in Frankreich lebende Eheleute in Las Vegas, so ist die Eheschließung hier zwar anzuerkennen, nicht aber der Abschluss eines Ehevertrages über den Ausschluss des Zugewinnausgleichs bzw. der gesetzlichen Gütergemeinschaft, selbst wenn jeder der Eheleute durch einen eigenen Rechtsanwalt beraten war, der Vertrag aber nicht vollständig beurkundet worden ist.

Was den Anwendungszeitraum angeht, so bestimmt Art. 69 Abs. 3...

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