Rz. 117
Dem Eheschließungsstatut unterliegen die Ehemündigkeit und das Erfordernis von Zustimmungen Dritter, der erforderliche Wille, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen (vgl. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB), und die Auswirkungen von Willensmängeln wie Irrtum, Täuschung oder Zwang. Desgleichen ergeben sich aus ihm die Ehehindernisse, wie Verwandtschaft, Adoption oder Schwägerschaft, bestimmte Gebrechen oder Krankheiten, Wartefristen nach vorangegangener Ehe und das Verbot der Polygamie.
Rz. 118
Vorfragen, wie die im Rahmen der Ehemündigkeit aufgeworfene Frage nach der Geschäftsfähigkeit der Verlobten oder die Wirksamkeit einer zuvor eingegangenen Ehe, unterliegen nicht dem Eheschließungsstatut, sondern sind anhand des Rechts zu beurteilen, das die hierfür jeweils maßgebliche Kollisionsnorm bestimmt. Wegen der selbstständigen Vorfragenanknüpfung ist dabei auch auf Seiten eines ausländischen Verlobten stets auf die einschlägige Kollisionsnormen des deutschen Rechts (im Beispiel also Art. 7 Abs. 1 EGBGB) zurückzugreifen. Hier ist die Wirksamkeit nach dem gem. Art. 13 und Art. 11 EGBGB bestimmten Recht zu ermitteln.
Rz. 119
Hinweis: Umstritten ist in diesem Zusammenhang, wie die Wirksamkeit der Scheidung einer Vor-Ehe zu behandeln ist. In der Literatur wird vielfach angenommen, wenn das Scheidungsurteil aus deutscher Sicht unmittelbar wirksam sei, z.B. weil es von einem deutschen Gericht gefällt worden ist, weil es auf Basis der Brüssel IIa-VO unmittelbar im Inland wirkt oder weil es – soweit notwendig – gem. § 107 FamFG (vormals: Art. 7 § 1 Abs. 1 S. 3 FamRÄndG) von der Landesjustizverwaltung förmlich anerkannt worden ist, so seien die Eheleute entsprechend den Grundsätzen der selbstständigen Vorfragenanknüpfung als ledig zu behandeln. Dies gelte selbst dann, wenn der ausländische Heimatstaat die Scheidung nicht anerkennt und deswegen die neue Eheschließung als Doppelehe werten würde. Ein anderer Teil der Literatur, vor allem aber die Rechtsprechung verlangen dagegen, dass die Vor-Ehe auch aus Sicht des Eheschließungsstatuts als aufgelöst gilt. Wie bei der unselbstständigen Vorfragenanknüpfung liegt danach ein Ehehindernis vor, wenn eine nach dem Heimatrecht verlangte förmliche Anerkennung der (z.B. durch ein deutsches Gericht erfolgten) Ehescheidung noch nicht erfolgt ist. Der deutsche Standesbeamte muss danach den ausländischen Verlobten also auch nach rechtskräftiger Scheidung durch ein deutsches Gericht für die Beurteilung der Ehefähigkeit weiterhin als verheiratet behandeln.
Rz. 120
Aus dem Heimatrecht ergibt sich grundsätzlich auch, ob die Heirat aufgrund Transsexualität ausgeschlossen ist. Freilich wird mittlerweile zunehmend anerkannt, dass es gegen die Eheschließungsfreiheit und damit gegen den deutschen ordre public verstößt, wenn einem Mann nach einer zulässigen Geschlechtsumwandlung in eine Frau die Eheschließung mit einem Mann versagt wird. Zumindest muss dies nach einer Änderung seiner diesbezüglichen Rechtsprechung durch den EuGH MR gelten.
Rz. 121
Bei der Abgrenzung zu den formellen Voraussetzungen der Eheschließung ist zu beachten, dass der kollisionsrechtliche Begriff der Form weiter ist als im materiellen Recht. Zur Form zählen daher auch das Erfordernis des Aufgebots, die Frage, welche Stelle für die Entgegennahme der Erklärungen und die Registrierung zuständig ist, das Erfordernis einer priesterlichen Mitwirkung und die Höchstpersönlichkeit der Erklärung, also die Möglichkeit, einen Boten einzuschalten (Handschuhehe; siehe Rdn 128). Keine Frage der Form, sondern der materiellen Wirksamkeit ist dagegen die Heirat durch Einschaltung eines Vertreters im Willen, der dann also die Braut aussuchen darf.