Rz. 97
Grundsätzlich sind alle Verweisungen im EGBGB als Gesamtverweisung zu behandeln, die das ausländische Kollisionsrecht erfassen. Folgende Ausnahmen sind jedoch allgemein anerkannt:
▪ | Bezeichnet die Verweisung ausdrücklich das fremde Sachrecht, ist die Beachtung eines Renvoi ausgeschlossen (Art. 3a Abs. 1 S. 2 EGBGB). Beispiel hierfür ist z.B. Art. 17b Abs. 1 EGBGB ("… sind die Sachvorschriften des … Rechts anzuwenden"). |
▪ | Im Rahmen der europäischen Verordnungen zum Internationalen Privatrecht ist der ausdrückliche Ausschluss der Anwendbarkeit ausländischen Kollisionsrechts sogar die Regel (z.B. Art. 11 Rom III-VO und Art. 32 EUGüVO und EUPartVO; anders allein Art. 34 EuErbVO).[137] |
▪ | Wo die Beteiligten das Recht durch Rechtswahl bestimmt haben, ist unmittelbar das Sachrecht der gewählten Rechtsordnung anzuwenden (Art. 4 Abs. 2 EGBGB). |
▪ | Bei einer alternativen Verweisung auf mehrere nebeneinander anwendbare Rechtsordnungen (z.B. Art. 11 Abs. 1, 19 Abs. 1 EGBGB) zur Begünstigung eines bestimmten materiellen Ergebnisses (Formwirksamkeit, Feststellung der Abstammung) würde die Beachtung des ausländischen Kollisionsrechts dem Sinn der Verweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EGBGB) widersprechen, soweit dadurch die Anzahl der anwendbaren Rechtsordnungen wieder reduziert werden würde. Es wird daher allgemein angenommen, dass hier das weiterverwiesene Recht anwendbar bleibt und sich durch die Weiterverweisung daher der Kreis der anwendbaren Rechte möglicherweise weiter vergrößert.[138] |
Rz. 98
In folgenden Fällen wird das Vorliegen einer Sachnormverweisung (wegen Sinnwidrigkeit gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB) verbreitet angenommen:
▪ | Kollisionsnormen in einem internationalen Abkommen (siehe Rdn 28). |
▪ | Bei Anknüpfung an die "engste Verbindung" (Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) wird angenommen, es sei sinnwidrig, nach eingehender Ermittlung der engsten Verbindung dann doch auf ein anderes Recht auszuweichen.[139] Freilich macht Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB durch die Verwendung der Worte "auf andere Weise am engsten verbunden sind" deutlich, dass auch die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit und den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute auf die Anwendung des Rechts abzielt, mit dem die Beteiligten am engsten verbunden sind. Wenn nun auf der untersten Stufe anhand der Sammlung von weit weniger aussagekräftigen Indizien die engste Verbindung bestimmt wird, so ist die Verweisung weniger überzeugend und sollte daher noch viel eher einen Renvoi zulassen.[140] |
▪ | Teilweise wird angenommen, die Beachtung des Renvoi verstoße gegen den Sinn der Verweisung, wenn die ausländische Kollisionsnorm gleichheitswidrig anknüpft (also z.B. für die ehelichen Wirkungen an die Staatsangehörigkeit des Ehemannes oder für die Abstammung an die Staatsangehörigkeit des Vaters).[141] Dies ist freilich verfehlt, denn hier verstößt nicht die Beachtung der Rück- bzw. Weiterverweisung gegen den Sinn der Verweisung, sondern die ausländische Anknüpfung verstößt gegen unsere Auffassung von der Gleichheit der Geschlechter.[142] Möglicherweise greift aber Art. 6 EGBGB ein. Zwar ist nicht der Weg, sondern nur das materielle Ergebnis der Rechtsanwendung Gegenstand einer Prüfung nach Art. 6 EGBGB. Möglicherweise kann man die Benachteiligung aber auch in einem bestimmten kollisionsrechtlichen Ergebnis erkennen, so z.B. wenn die Ehefrau den güterrechtlichen Bestimmungen eines Staates unterworfen ist, zu dem sie nie eine eigene Beziehung hatte.[143] |
▪ | Umstritten ist das Vorliegen einer Gesamtverweisung ebenfalls im Rahmen von Art. 23 EGBGB. |
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