Rz. 123

Der Inhalt des Begriffs "Ehe" galt zumindest im europäischen Rechtskreis lange Zeit als eindeutig. Freilich entstehen immer wieder neue Rechtsschöpfungen, die rechtlich bislang unbedeutende Lebensformen der Ehe weitgehend gleichstellen:

die Geltung zahlreicher gesetzlicher Ehewirkungen auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften von Mann und Frau im kroatischen und slowenischen Recht;
registrierte nichteheliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau (Partnerschaften) z.B. im niederländischen und brasilianischen Recht;
die gleichgeschlechtliche Ehe im belgischen, spanischen, englischen, luxemburgischen, kalifornischen und niederländischen Recht;
Anerkennung des einvernehmlichen Zusammenwohnens als formlose Eheschließung im schottischen Recht (common law-Ehe).
 

Rz. 124

Damit stellt sich die Frage nach dem Umfang des kollisionsrechtlichen Ehebegriffs. Eindeutig ist hier allein, dass dieser sich mit dem Begriff der Ehe des materiellen deutschen Rechts nicht decken muss. Daher fällt auch eine polygame Ehe unter Art. 13 EGBGB oder eine formlos geschlossene Ehe nach dem schottischen Recht oder dem Recht einiger US-Staaten (common law-Ehe). Gleichgeschlechtliche Verbindungen aber, selbst wenn sie der Ehe in ihrer Bezeichnung und ihren materiellen Wirkungen gleichstehen, unterfallen nicht Art. 13 EGBGB (str.). Dies ergibt sich schon aus Art. 17b EGBGB, der insoweit als lex specialis fungiert (siehe im Einzelnen Rdn 333).[175] Mittlerweile ist die Frage in Art. 17b Abs. 4 EGBGB gesetzlich klargestellt. Bei den "informellen Eheschließungen" hingegen kommt es darauf an, ob sie die Geltungen des gesamten Programms der Ehefolgen (Güterrecht, gesetzliches Erbrecht, Auflösung nur durch gerichtliche Scheidung etc.) nach sich ziehen (wie die schottische common law-Ehe) oder ob es sich um eine "Ehe light" handelt (wie die sambo nach schwedischem Recht oder die nichteheliche Lebensgemeinschaft im kroatischen Recht).[176]

[175] OLG München FamRZ 2011, 1526; BFH IPRax 2006, 287; MüKo-BGB/Coester, 7. Aufl. 2018, Art. 17b EGBGB Rn 12.
[176] Vgl. Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl. 2000, S. 21.

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