Rz. 279
Dem Scheidungsstatut unterliegt zunächst die Frage, ob eine Scheidung überhaupt zulässig ist. Dem Scheidungsstatut unterliegt des Weiteren, wann eine Scheidung zulässig ist (z.B. bei Zerrüttung), unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines entsprechenden Tatbestandes vermutet wird und wann der Scheidungsgrund wieder entfällt.
Rz. 280
Aus dem Scheidungsstatut ergibt sich auch, ob das Gericht das Verschulden der Scheidung feststellen muss. Dies gilt unabhängig davon, dass die deutschen Gerichte hiervon nach Einführung der Zerrüttungsscheidung in das BGB befreit worden sind. Der Schuldausspruch ist dann nicht nur in den Scheidungsgründen zu erwähnen, sondern auch in den Tenor aufzunehmen. Das ist selbst dann sehr wichtig, wenn die Scheidungsklage unabhängig von der Schuld begründet wäre, weil viele ausländische Rechte gewisse Rechtsfolgen (Unterhaltsansprüche nach geschiedener Ehe, Fortbestehen eines gesetzlichen Erbrechts etc.) weiterhin davon abhängig machen, dass ein Verschulden bzw. kein Verschulden vorlag. Soweit nach dem Scheidungsstatut auch die Möglichkeit einer reinen Zerrüttungsscheidung besteht (wie z.B. im österreichischen und im italienischen Recht – dort ist dieser Fall sogar die Regel), ist freilich das Verschulden nur auf Antrag hin festzustellen.
Rz. 281
Auch eine Reihe von Scheidungsfolgen wurde bislang im deutschen IPR dem Scheidungsstatut unterstellt und damit nach dem gem. Art. 17 Abs. 1 EGBGB bestimmten Recht beurteilt. Da die Rom III-VO diese Gegenstände nicht regelt, ergibt sich die entsprechende Verweisung auf das Scheidungsstatut nun aus Art. 17 Abs. 1 EGBGB. Dies gilt vor allem für folgende Scheidungsfolgen:
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Schadensersatzansprüche wegen Auflösung der Ehe zur Kompensation immaterieller Schäden. Diese ist z.B. im türkischen und im japanischen Recht bekannt. Abgrenzungsprobleme zum Unterhaltsstatut ergeben sich dann, wenn ein fehlender Anspruch auf Unterhalt kompensiert werden soll. An eine unterhaltrechtliche Qualifikation wäre z.B. dann zu denken, wenn zur Bemessung im Wesentlichen auf die Bedürftigkeit und die Leistungsfähigkeit abgestellt wird, die Zahlung in Form einer Rente erfolgt etc. |
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Vielfach wird auch ein Recht zum Widerruf von Schenkungen unter Ehegatten dem Scheidungsstatut unterstellt, soweit es nicht allgemein besteht, sondern speziell auf die Scheidung gestützt ist. Dem für die Schenkung maßgeblichen Vertragsstatut dagegen sei zu entnehmen, ob es daneben noch allgemeine Gründe (grober Undank, Wegfall der Geschäftsgrundlage) gebe. Davon zu trennen ist die allgemeine Widerruflichkeit von Schenkungen unter Eheleuten, die als eine Frage des allgemeinen Ehewirkungsstatuts (zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages) zu qualifizieren ist (siehe Rdn 17); die unbenannte bzw. ehebezogene Zuwendung beurteilt sich nach dem Güterstatut. |
Rz. 282
Umstritten war früher, ob auch die Zuweisung der Nutzung der ehelichen Wohnung und des Hausrats nach der Scheidung dem Scheidungsstatut unterliegt oder nach dem gem. Art. 17a EGBGB bestimmten Recht zu beurteilen ist. Vielfach wurde dies bejaht. Die Gegenmeinung führte dagegen aus, die Verweisung auf das deutsche Recht sei hier dadurch bedingt, dass die Wohnungszuweisung etc. während der Ehe in Eilverfahren erfolgen müsse, im Scheidungsverfahren jedoch würde die Entscheidung nicht im Eilverfahren getroffen. Da Art. 17a EGBGB in der seit dem 29.1.2019 geltenden Fassung für die Hausrats- und Wohnungszuteilung nicht mehr gilt, hat sich diese Streitfrage erledigt.
Rz. 283
Vom Scheidungsstatut ausgenommen sind folgende Rechtsfolgen, die anderen Kollisionsnormen zuzuordnen sind:
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Soll die Ehe wegen anfänglicher materieller oder formeller Fehler bei der Eheschließung angefochten oder für nichtig erklärt werden, so gilt nicht das Scheidungsstatut (Art. 1 Abs. 2 lit. c Rom III-VO). Die Folgen eines Mangels bei der Eheschließung ergeben sich aus dem Recht, nach dem der Fehler vorliegt (also das "ärgere" der gem. Art. 13 Abs. 1 EGBGB bestimmten Rechte für die materiellen Voraussetzungen und Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB bzw. das günstigere der gem. Art. 11 Abs. 1–3 EGBGB bestimmten Rechte für die formellen Voraussetzungen) (siehe Rdn 138). |
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Die Auflösung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft unterliegt nicht dem Scheidungsstatut. Diese Rechtsbeziehungen sind als "eingetragene Lebenspartnerschaften" zu qualifizieren, so dass die Auflösung dem gem. Art. 17b Abs. 1 S. 1 EGBGB bestimmten Recht unterliegt (siehe Rdn 333). |
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Der Zugewinnausgleich und die Vermögensauseinandersetzung unterliegen nicht dem Scheidungsstatut (Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom III-VO), sondern dem Güterstatut (Art. 15 EGBGB bzw. EUGüVO) (siehe Rdn 194). |
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Für den Scheidungsunterhalt gilt gem. Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom III-VO ebenfalls nicht die Rom III-VO, sondern das nach den Regeln des HUntProt bestimmte Unterhaltsstatut. |
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Der Versorgungsausgleich unterliegt dem gem. Art. 17 Abs. 4 EGBGB bestimmten Recht (siehe Rdn 295). |
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Dingliche Herausg... |