Rz. 138
Nicht nur die materiellen Ehevoraussetzungen ergeben sich aus dem gem. Art. 13 Abs. 1 EGBGB bestimmten Recht, auch die Auswirkungen ihres Fehlens auf die Ehe. Gelten für die Verlobten verschiedene Rechte, so entscheidet das "verletzte Recht" darüber, welche Folgen sich aus dem Verstoß ergeben (also z.B. ipso iure-Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, gerichtliche Aufhebbarkeit). Sind beide Rechte verletzt, so entscheidet das Recht, welches die schärferen Auswirkungen auf den Bestand der Ehe anordnet (das "ärgere Recht"). Es gilt für die Aufhebung einer solchen Ehe also auch dann, wenn sie konstitutiv ist, das Eheschließungs- und nicht das Scheidungsstatut.
Rz. 139
Umstritten ist, inwieweit ein Wechsel der Staatsangehörigkeit der Eheleute dazu führen kann, dass eine nach dem Heimatrecht der Eheleute bei Eheschließung nichtige Ehe später, also unter Zugrundelegung des neuen Heimatrechts der Eheleute, als wirksam behandelt werden kann. Das Problem wird unter dem Sichtwort "Heilung durch Statutenwechsel" behandelt. Der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 EGBGB schließt einen solchen Statutenwechsel aus, indem die Umstände zur Zeit der Eheschließung entscheiden (Unwandelbarkeit).
Rz. 140
Die Folgen der Verletzung von Formerfordernissen unterliegen dem Eheschließungs-Formstatut. Dies ist bei einer Eheschließung im Inland das deutsche Recht (siehe Rdn 125). Bei einer Eheschließung im Ausland geraten das Ortsrecht auf der einen Seite und das Heimatrecht der Eheleute (bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit beide Rechte kumulativ) auf der anderen Seite in Anwendung. Hier setzt sich das Günstigkeitsprinzip in der Weise fort, dass bei Verletzung eines der beiden Rechte die Ehe nach dem anderen Recht wirksam ist; bei Verletzung beider Rechte gilt nicht das "ärgere Recht", sondern das "mildere Recht", also von beiden Alternativen diejenige Rechtsordnung, die für den Bestand die weniger einschneidenden Wirkungen hat.
Rz. 141
Im deutschen Sachrecht ist dabei § 1310 Abs. 3 BGB zu beachten. Diese Vorschrift ist vor allem für die Heilung wegen Formverstoßes unbeachtlicher Nichtehen von Ausländern oder ausländisch-deutschen Paaren gedacht. Eine Heilung der formnichtigen Ehe kommt danach zustande, wenn die Eheleute vor einer unzuständigen Person erklärt haben, die Ehe eingehen zu wollen, mindestens 10 Jahre lang als Eheleute miteinander gelebt haben und zugleich ein formaler Vertrauenstatbestand durch den Standesbeamten gesetzt worden ist (Eintragung der Eheschließung in das Heiratsbuch, in das Familienbuch oder anlässlich der Beurkundung der Geburt eines Kindes in das Geburtenbuch etc.).
Rz. 142
Soweit für die Anfechtung bzw. Nichtigerklärung der Ehe eine gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, gelten für die internationale Zuständigkeit der Gerichte bzw. die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen die gleichen Regeln wie für die Scheidung (siehe Rdn 251). Insbesondere ist insoweit vorrangig die Brüssel IIa-VO zu beachten, hilfsweise gelten die "autonomen" Vorschriften in § 98 FamFG.