Prof. Dr. Rainer Deininger
a) ATAD-Umsetzungsgesetz
Rz. 70
Im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich der Norm hat sich im Vergleich zur alten Fassung die Dauer der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht geändert: Erfasst werden nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG n.F. natürliche Personen, die insgesamt mindestens sieben Jahre in den letzten 12 Jahren nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig waren. Die bisherige starre Zehnjahresfrist wurde also stark modifiziert. Insbesondere bei Entsendungsfällen mit Aufenthaltszeiten in Deutschland zwischen den Auslandsaufenthalten ist nun Vorsicht geboten, da in diesen Fällen typischerweise sieben Jahre unbeschränkter Einkommensteuerpflicht in 12 Jahren insgesamt eher verwirklicht werden als zehn Jahre unbeschränkter Einkommensteuerpflicht am Stück.
Rz. 71
Bei Anteilserwerb durch zumindest teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft wird nach § 6 Abs. 2 S. 1 AStG n.F. weiterhin auch die Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht des Rechtsvorgängers in die Zehnjahresfrist miteinbezogen. Perioden, in welchen der Rechtsvorgänger sowie sein Nachfolger gleichzeitig unbeschränkt steuerpflichtig sind, werden nur einmal berechnet, § 6 Abs. 2 S. 3 AStG n.F.
Rz. 72
Im Hinblick auf die im Schrifttum aufgegriffene Frage, wer denn in Todesfällen Steuerpflichtiger in den Fällen des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG a.F. bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht "durch Übertragung der Anteile durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft durch Erwerb von Todes wegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen" ist, hat sich der Gesetzgeber nun in der Nachfolgevorschrift § 6 Abs. 1 Nr. 2 AStG n.F. etwas anders ausgedrückt. Nunmehr steht "bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der Veräußerung von Anteilen" i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG zum gemeinen Wert "die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person" gleich. War bei § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG a.F. etwas kryptisch formuliert die "Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Übertragung der Anteile durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft" Tatbestandsmerkmal, ist es nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AStG n.F. nun die tatsächliche "unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person". Es darf auch hier bezweifelt werden, ob die Neufassung in der Rechtsanwendung handhabbarer geworden ist.
Rz. 73
Sachlich setzt die Norm das Halten von Anteilen i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG (Anteile i.H.v. mindestens 1 % am Kapital von in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften innerhalb der letzten fünf Jahre) voraus. Noch nicht geklärt scheint, ob auch Anteile an zur Körperschaftsteuerbesteuerung optierenden Personengesellschaften aufgrund der Fiktion des § 1a KStG 2022 in den sachlichen Anwendungsbereich von § 6 AStG fallen.
Rz. 74
Besteuerungstatbestände sind nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–4 AStG n.F. neben der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts die Folgenden:
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(weiterhin) Schenkung (auch gemischt) oder Vererbung der Anteile auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person; |
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(subsidiär zu den vorgenannten Gründen) Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile. |
Rz. 75
Besteuerungszeitpunkte, d.h. die Zeitpunkte, zu denen die Veräußerung fingiert wird, sind
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im Falle der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts die tatsächliche Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht; |
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im Falle der Schenkung (auch gemischt) oder Vererbung der Anteile auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person der Zeitpunkt der Übertragung; |
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im Falle des sonstigen Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile der Zeitpunkt, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt. |
Rz. 76
Rechtsfolge der Wegzugsbesteuerung ist nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG n.F. die Anwendung von § 17 EStG, d.h. der Ansatz eines fiktiven Veräußerungsgewinns zum zuvor erläuterten Besteuerungszeitpunkt. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG n.F. ist der fiktive Veräußerungspreis dabei am gemeinen Wert der Anteile zu orientieren. Mangels tatsächlich realisierten Veräußerungsgewinns ist der Veräußerungsgewinn daher aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Anteile und den Anschaffungskosten zu berechnen.
Rz. 77
Kommt es nach dem Wegzug tatsächlich zu einer Veräußerung der Anteile, erfolgt zwar gem. § 6 Abs. 1 S. 3 AStG n.F. zusätzlich zur Wegzugssteuer eine Besteuerung nach §§ 17, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG. Jedoch wird die Bemessungsgrundlage dieser Besteuerung um den bereits nach § 6 Abs. 1 S. 3 AStG n.F. erfassten Vermögenszuwachs gekürzt, soweit die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer entrichtet worden ist; andernfalls gelten diese weiterhin als zu den ursprünglichen Anschaffungskosten erworben.
Rz. 78
Nach § 6 Abs. 3 AStG n.F. entfällt der Steueranspru...