Prof. Dr. Rainer Deininger
Rz. 61
Nach § 2 AStG sind natürliche Personen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht als Deutsche insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren, die in einem sog. Niedrigsteuerland ansässig sind oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig sind und im Inland wesentliche wirtschaftliche Interessen haben, erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtig. Diese erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht besteht nach § 2 Abs. 1 S. 1 AStG bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem der Wegzug erfolgte. Dabei entsteht die erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 S. 2 AStG nur für Veranlagungszeiträume, in welchen die entsprechenden Einkünfte 16.500 EUR übersteigen.
Hinweis
§ 2 Abs. 2 AStG definiert ein Niedrigsteuerland als Land, in dem die Steuer entweder im Rahmen eines abstrakten Steuerbelastungsvergleichs bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 77.000 EUR um ein Drittel niedriger als im Inland ist oder eine Vorzugsbesteuerung gewährt wird.
Rz. 62
Die erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht erstreckt sich über die beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 49 Abs. 1 EStG hinaus auf alle Einkünfte, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.v. §§ 34c Abs. 1, 34d EStG (sog. erweiterte Inlandseinkünfte) sind.
Rz. 63
Die für Emigranten wichtigsten Fälle erweiterter Inlandseinkünfte dürften sein:
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Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die weder einer inländischen noch ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind; |
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Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn der Schuldner (z.B. die zinszahlende Bank) unbeschränkt steuerpflichtig ist; |
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Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung beweglichen Vermögens im Inland (sofern nicht zu einem im Ausland belegenen Sachinbegriff gehörend) sowie |
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Einkünfte aus Spekulationsgeschäften i.S.v. § 22 Nr. 2 EStG, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter nicht im Ausland belegen sind. |
Rz. 64
Die erweiterten Inlandseinkünfte werden nach § 2 Abs. 5 AStG einer sog. Vollprogression unterworfen, d.h. es wird der Steuersatz erhoben, der sich für sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen ergibt. Durch planerische Maßnahmen vor dem Wegzug kann jedoch eine Minimierung der Einkünfte, die der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen, erreicht werden.
Rz. 65
Zudem hat der BFH seine Rechtsprechung zur Besteuerung von Werbeverträgen mit beschränkt Steuerpflichtigen dahingehend geändert, dass § 2 AStG nur eingeschränkt tauglich ist, das Besteuerungsrecht Deutschlands beim Wegzug vermögender Steuerpflichtiger durchzusetzen. Dabei hatte ein Berufssportler, der in ein Niedrigsteuerland verzogen war, in den Jahren nach dem Wegzug umfangreiche Werbeeinkünfte in Deutschland erzielt. Der Kläger lebte bis März 1993 in Deutschland, daraufhin im Ausland, ab Februar 1994 in einem Niedrigsteuerland. In den Streitjahren 1994 und 1995 erwirtschaftete der Kläger als Berufssportler Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Darüber hinaus erzielte er von seinem ausländischen Wohnsitz aus Einnahmen aus Werbeverträgen. In der Steuererklärung behandelte er einen Großteil des Einkommens als nichtsteuerpflichtige Auslandseinkünfte. Das Finanzamt sah den Tatbestand des § 2 AStG als verwirklicht an. Die Klage hiergegen basiert vor allem auf der Argumentation, der Kläger habe in den Streitjahren neben seiner nichtselbstständigen Tätigkeit als Sportler ausschließlich gewerbliche Einkünfte erzielt, die in Deutschland grundsätzlich nicht der Besteuerung unterliegen. Lediglich Werbeeinnahmen, die einen unmittelbaren sachlichen Bezug zu einer Sportveranstaltung im Inland hätten, wären zu berücksichtigen. Allgemeine Werbeleistungen würden hiervon nicht erfasst.
Die Klage des Steuerpflichtigen vor dem FG Düsseldorf war erfolgreich, die Revision des Finanzamts zum BFH blieb ohne Erfolg.
Rz. 66
Die zentrale Frage, mit der sich der BFH zu beschäftigen hatte, war jene nach der Qualifikation von Werbeeinkünften eines im Ausland lebenden Berufssportlers nach deutschem Steuerrecht. Dabei hat der BFH festgehalten, dass die Wohnung des Steuerpflichtigen im Ausland eine Betriebsstätte darstellt. Einkünfte einer Auslandsbetriebsstätte aus Werbeverträgen werden jedoch von § 2 AStG nicht erfasst, da sie keine "nicht ausländischen Einkünfte" i.S.d. Vorschrift darstellen. Denn diese Einkünfte sind weder inländische Einkünfte i.S.v. § 49 Abs. 1 EStG noch (kumulativ) Einkünfte, die nicht nach § 34d EStG ausländisch sind. Eine Ausnahme besteht nach Auffassung des BFH allerdings in dem Fall, in dem die Einkünfte aus einer lediglich passiven Überlassung von Persönlichkeitsrechten stammen, ohne dass aktive Dienstleistungen erbracht werden. Dieser Umstand wäre etwa bei Überlassung des Rechts am eigenen Bild oder des Namensrechts gegeben.