Rz. 71

In manchen Rechtsordnungen werden bestimmte Fragen der Nachlassabwicklung nicht dem Erbstatut, sondern dem Belegenheitsrecht unterstellt. So wurde die im österreichischen Recht erforderliche gerichtliche Einantwortung der Erben in den Nachlass für in Österreich belegene Liegenschaften unabhängig davon verlangt, ob österreichisches Recht Erbstatut ist.[62] Umgekehrt wurde aus österreichischer Sicht für die Frage, auf welche Weise ein in Deutschland belegenes Nachlassgrundstück mit Eintritt des Erbfalls auf die Erben übergeht, auch dann auf das deutsche Belegenheitsrecht verwiesen, wenn der Erblasser Österreicher war und österreichisches Recht Erbstatut ist.

 

Rz. 72

Dem vergleichbar ist die Situation im Recht der Staaten des angloamerikanischen Rechtskreises, das den Übergang des Nachlasses auf einen Zwischenberechtigten (personal representative) vorsieht. Diese Frage wird in den USA, im Vereinigten Königreich und in anderen Staaten mit common law-Tradition nicht dem für die erbrechtlichen Fragen (succession) maßgeblichen Statut unterstellt, sondern als Frage des Verfahrens (administration) qualifiziert. Maßgeblich ist aus der Sicht dieser Staaten die lex fori, also das Recht des Staates, dessen Gerichte mit der Nachlassabwicklung befasst sind. Diese Regelung wurde unter der Geltung des Art. 25 EGBGB aus deutscher Sicht auch im Inland entsprechend angewandt. Wird ein deutsches Nachlassgericht tätig, folgte nach der in Deutschland h.A. hieraus eine (versteckte) Rückverweisung auf das deutsche Recht, da dieses auch aus dortiger Sicht deutsches Verfahrensrecht anzuwenden hat.[63] Diese Rückverweisung ist sowohl gegenständlich (also auf das im Inland belegene Vermögen) als auch funktional (nämlich auf die Fragen des Nachlasserwerbs und der Nachlassabwicklung) beschränkt. Es handelt sich also um eine "doppelte Nachlassspaltung". Folge war, dass die Begünstigten im Erbschein ganz normal als Erben ausgewiesen werden konnten und dem personal representative allenfalls ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt wurde.[64]

 

Rz. 73

Freilich war diese insbesondere von Firsching[65] begründete Auffassung schon vor Inkrafttreten der EuErbVO in Deutschland nicht unumstritten. Die ebenso traditionsreiche, insbesondere von Gottheiner begründete Gegenauffassung ("Anerkennungstheorie" im Gegensatz zu der von ihnen so bezeichneten "Spaltungstheorie") ging davon aus, dass der Übergang des Nachlasses auf einen personal representative auch hinsichtlich des im Inland belegenen Nachlasses anzuerkennen sei.[66]

 

Rz. 74

Unter der Geltung der EuErbVO lässt sich die Spaltungstheorie aus mehreren Gründen nicht mehr durchhalten: Zum einen wäre die Nichtanerkennung des personal representative und die Annahme einer versteckten Rückverweisung schon in all jenen Fällen ausgeschlossen, in denen die Erbfolge auf einem Testament beruht und der ausländische Erblasser ausdrücklich oder zumindest schlüssig angeordnet hat, dass sich die Erbfolge nach seinem Heimatrecht richten soll. In diesen Fällen liegt schon eine Sachnormverweisung nach Art. 34 Abs. 2 EuErbVO vor. Gleiches gilt, wenn die Erbfolge dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegt, in dem die administration nach common law praktiziert wird (aktuell ausschließlich Zypern). Schließlich ist die Figur der doppelt beschränkten Nachlassspaltung aufgrund versteckter Rückverweisung bislang wohl ausschließlich in Deutschland verbreitet gewesen und eine Anerkennung in den anderen Mitgliedstaaten auf der Basis der EuErbVO, welche dem Grundsatz der Nachlasseinheit fröhnt und die Rückverweisung eher als Ausnahme denn als Grundsatz des europäischen Kollisionsrechts angenommen hat, ist sehr unwahrscheinlich.[67]

 

Rz. 75

In Beispielsfall 3 ergab sich nach bisheriger Auffassung, dass trotz der Geltung des kalifornischen Rechts für die Erbfolge der Anwendungsbereich dieses Rechts (grob gesagt) gegenständlich auf den Bereich beschränkt blieb "wer erhält wie viel aus dem Nachlass?". Die Frage, ob in diesem Fall die Hinterbliebenen unmittelbar mit dem Eintritt des Erbfalls am Nachlass in Höhe der ihnen zustehenden Quoten beteiligt werden oder ob der Nachlass auf einen personal representative übergeht, der den Hinterbliebenen erst nach vollständiger Abwicklung den Nettoerlös auszahlt, wurde dagegen hinsichtlich des in Deutschland belegenen Nachlasses nach dem deutschen Recht beurteilt.

 

Rz. 76

Nach aktueller Rechtslage dürfte dagegen die administration hinsichtlich des in Deutschland belegenen beweglichen Nachlasses – dann also auch der Beteiligungen an der Erbengemeinschaft – nach kalifornischem Recht zu beurteilen sein. Daher ist die Beteiligung an der Miterbengemeinschaft entweder auf den vom Erblasser benannten executor oder aber auf einen vom probate court in Kalifornien bestellten administrator übergegangen. Dieser wäre m.E. dann auch in einem Europäischen Nachlasszeugnis als "Erbe" zu bezeichnen, da er über eigenes und nicht über Vermögen anderer verfügt.

[62] Firsching, IPRax 1982, 168.
[63] Staudinger/Dörner,...

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