Rz. 109
Es wird in der (Kommentar-)Literatur nicht (mehr) ernsthaft in Zweifel gezogen, dass der Schuldner dem Gläubiger den durch den Verzug adäquat-kausal entstandenen Schaden zu ersetzen hat und hierzu auch die Inkassokosten gehören. Die Rechtsprechung hat dies in den letzten Jahren mehrfach klar ausgesprochen und die europäische und nationale Gesetzgebung lässt daran gleichermaßen keine Zweifel mehr zu. Es geht um die Höhe, nicht aber den Grund des Anspruchs.
Rz. 110
Löwisch hat grundlegend und völlig zu Recht festgestellt, dass zu dem Verzugsschaden an sich auch die Kosten gehören, die dem Gläubiger erwachsen, weil er mit der Einziehung seiner Forderungen bei dem in Verzug geratenen Schuldner einen Inkassodienstleister beauftragt. Er hat damit die Grundlagen für die heutige Sichtweise gelegt und deren Voraussetzungen umschrieben. Angesichts des unser Schadensersatzrecht beherrschenden Grundsatzes der Totalreparation nach § 249 S. 1 BGB lasse sich dies nicht bezweifeln. Der "Kampf" um die Berechtigung von Inkassokosten hat sich also weg von der Frage, ob diese dem Grunde nach zu erstatten sind, hin zu der Frage entwickelt, in welcher Höhe sie zu erstatten sind.
Rz. 111
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in aller Deutlichkeit zur grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten Stellung genommen:
Zitat
"Die Kosten eines Inkassobüros können – wenngleich im Einzelnen manches umstritten ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2005 – VIII ZR 299/04, NJW 2005, 2991, 2994 m.w.N.) – nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden. ... Nach herrschender Meinung anerkannte Einschränkungen sind etwa, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten die alternativ bei Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten nicht übersteigen dürfen und dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht bereits von vornherein erkennbar zahlungsunwillig gewesen ist."
Das Bundesverfassungsgericht hat den Instanzgerichten zwar zugebilligt, davon abweichend zu entscheiden, es dabei jedoch als willkürlich (!) angesehen, wenn nicht zugleich auch ein Rechtsmittel zugelassen wird. Die Entscheidung steht in der Tradition der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, Inkassodienstleister als Rechtsdienstleister anzusehen, was in der Konsequenz zur rechtlichen Anerkennung als Rechtsdienstleister durch das Rechtsdienstleistungsgesetz zum 1.7.2008 geführt hat. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen mehrfach bestätigt.
Rz. 112
Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt die Inkassokosten dem Grunde nach als ersatzfähigen Verzugsschaden an. So hat der BGH schon mit seinem erst 2008 veröffentlichten Urteil v. 24.5.1967, VIII ZR 278/64 anerkannt, dass Inkassokosten als Verzugskosten anzusehen sind. War dies lange die einzige Entscheidung des BGH, die sich mit der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten auseinandergesetzt hat, hat er die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit in einem Urt. v. 29.6.2005 noch einmal ausdrücklich bestätigt. Wörtlich heißt es dort:
Zitat
"Der Senat hat in einer Entscheidung vom 24.5.1967 (VIII ZR 278/64, unter II) die einem Gläubiger durch den Auftrag zur Einziehung einer Forderung bei einem Inkassounternehmen entstandenen Kosten als möglichen Verzugsschaden angesehen, der grundsätzlich gemäß § 286 BGB zu ersetzen ist, und lediglich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB die Frage aufgeworfen, ob der Gläubiger eine Erfolglosigkeit der Bemühungen des Inkassounternehmens voraussehen konnte."
Nachfolgend hatte sich der BGH mit einer Vielzahl von Fällen auseinanderzusetzen, ohne dass er die Erstattungsfähigkeit der dort geltend gemachten Inkassokosten auch nur problematisiert hätte.
Rz. 113
Es ist nicht zu erkennen, dass dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung in Zweifel gezogen wird. Im Gegenteil werden auch hier die Inkassokosten dem Grunde nach als ersatzfähiger Verzugsschaden angesehen. Im Einzelfall streitig sind allein die allgemein im Kostenrecht geltenden Grundsätze, dass nur zweckmäßige und erforderliche Maßnahmen aus dem Blickwinkel einer vernünftig und wirtschaftlich denkenden Person erstattungsfähig sind und in welcher Höhe die Kosten begrenzt sind.
Auch die – nahezu unübersehbare – Instanzrechtsprechung insbesondere der Amtsgerichte zieht dies – zumal nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes – grundsätzlich nicht mehr in Zweifel.
Hinweis
Dabei wird allerdings im Einzelfall nicht immer hinreichend beachtet, dass
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für die Beurteilung des Einzelfalles die ex-ante-Sicht und nicht die tatsächliche spätere Entwicklung (also die ex-post-Sicht) maßgeblich ist; die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten entfällt also nur dann, wenn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Inkassodienstleisters schon sicher feststeht, dass nur ein... |