a) Bestimmung der Eigenobliegenheiten
aa) Die Fragestellung
Rz. 117
Ist der Verzug eingetreten oder liegt eine unerlaubte Handlung vor, ist der Schuldner nach den vorstehenden Ausführungen zum Ersatz des Schadens nach den §§ 280, 286, 849 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB verpflichtet. Es steht dann fest, dass eine Pflichtverletzung des Schuldners durch die Nichtleistung auf eine fällige Geldschuld vorliegt.
Entfaltet der Gläubiger nach diesem Zeitpunkt weitere vorgerichtliche Inkassotätigkeiten, d.h. kommt es zu weiteren Mahnungen, zu Ermittlungen zum Aufenthalt und Vermögen des Schuldners oder gar zu einem Besuch des Außendienstes, stellt sich die Frage, ob der Gläubiger die damit verbundenen Kosten der Schadensbearbeitung als Eigenkosten ersetzt verlangen oder aber ob er einen Dritten mit der Erbringung dieser Leistungen beauftragen kann und dann einen Anspruch auf Ersatz der dadurch entstandenen Kosten hat.
Rz. 118
Die erste der beiden Fragen, d.h. ob der Gläubiger seine Eigenkosten ersetzt verlangen kann, wird unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9.3.1976 weitgehend verneint. Dabei wird die Entscheidung meist formelhaft zitiert, ohne dass sich mit den tragenden Erwägungen auseinandergesetzt wird. Schon der Leitsatz der Entscheidung deutet nämlich an, dass die Annahme eines generellen Ausschlusses der Möglichkeit einer Kostenerstattung nicht differenziert genug ist. Dort heißt es nämlich:
Zitat
"Für eigenen Zeitaufwand bei der außergerichtlichen Abwicklung des Schadenersatzanspruchs kann der Geschädigte, jedenfalls soweit dabei der übliche Rahmen nicht überschritten wird, vom Schädiger keinen Ersatz verlangen."
Es stellt sich also schon nach der Entscheidung des BGH die Frage, was denn der "übliche Rahmen" bei der Abwicklung eines Schadensersatzanspruches ist, d.h. was von einem Gläubiger nach Verzugseintritt noch verlangt werden kann.
Rz. 119
Für die Beantwortung der damit aufgeworfenen Fragen ist es unverzichtbar, den Sachverhalt und die tragenden Erwägungen des BGH zur Kenntnis zu nehmen. Gegenstand der Entscheidung war ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, nämlich aus der Beschädigung von Autobahnanlagen durch ein Verkehrsunfallereignis. Anspruchsgrundlage waren nicht die §§ 280, 286 BGB bzw. zum damaligen Zeitpunkt noch §§ 284, 286 BGB, sondern § 823 BGB und die §§ 7 ff. StVG. Der Klägerin oblag die Verwaltung der betroffenen Autobahnen. Weil es immer wieder zu vergleichbaren Verkehrsunfällen und damit Beschädigungen der Autobahnanlagen gekommen ist, hat die Klägerin besondere Sachbearbeiter und Schreibkräfte allein für die Abwicklung dieser Schadensfälle beschäftigt. Als weitere Schadensersatzposition hat die Klägerin von den Schädigern die Erstattung der anteiligen Verwaltungskosten verlangt und dabei den durchschnittlichen Aufwand an Personal- und Sachkosten je Schadensfall ihrem Begehren zugrunde gelegt. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, während das Oberlandesgericht die Klage mit Ausnahme eines Betrages für nachgewiesene Portokosten und sonstige bare Auslagen abgewiesen hat. Die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Da die Beklagte keine Anschlussberufung eingelegt hat, blieb außer Streit, dass die tatsächlich entstandenen Auslagen zu ersetzen waren.
Hinweis
Dass der Schuldner die Sachkosten zu erstatten hat, hat der BGH mit seinem Urt. v. 26.6.2019 noch einmal explizit bestätigt.
Der BGH stellt zunächst fest, dass der Grundsatz gelte, dass bei einem Schaden, den ein Privatmann erleide, regelmäßig kein Anspruch für den Ersatz des Zeitaufwandes bestehe, der ihm durch die außergerichtliche Tätigkeit zur Wahrung seines Entschädigungsanspruches erwachse. Dies sei in der Rechtsprechung und Literatur bis dahin schon für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO anerkannt gewesen. Der BGH betont dann, dass dieser Grundsatz aber nicht aus der prozessualen Situation seine Rechtfertigung ziehe, sondern aus dem Umstand, dass der Verkehr diese Mühewaltung bei der Rechtswahrung zum eigenen Pflichtenkreis der Partei rechne.
Anders stelle es sich nur dar, wenn der Aufwand für die Rechtswahrnehmung sich als Folgeschaden oder als Schadensbeseitigung darstelle. Auch könne es im Einzelfall zu einer weitergehenden Kostenhaftung kommen, etwa wenn sich die Belastung über viele Jahre hinziehe und den Geschädigten gar in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährde. Anders sei es auch, wenn die eigene Mühewaltung der Schadensbehebung diene.
Eine andere Betrachtungsweise sei auch nicht deshalb geboten, weil es bei dem Geschädigten nicht nur im Einzelfall zu einer Schädigung komme, sondern in einer Vielzahl von Fällen. Aus Sicht des Schädigers stelle sich die Sachlage nicht anders dar, als wenn eine Einzelperson einmal geschädigt worden wäre. Es sei nicht gerechtfertigt, ihn mehr zu belasten, nur weil der Geschädigte sich eines solchen Schadens in einer Mehrzahl von Fällen ausgesetzt sehe.
Hinweis
Schon an dieser Stelle sei erstmals darauf hingewiesen, dass bei einem Anspruch aus u...