aa) Der generelle Abgeltungsbereich
Rz. 316
Die Geschäftsgebühr entsteht nach der Vorbem. 2.3. Abs. 3 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags im Austausch mit dem Gegner. Es handelt sich um die generelle Gebühr für die außergerichtliche Vertretung. Diese Tätigkeit kann einen sehr unterschiedlichen Aufwand erfordern, was den weiten Rahmen erklärt, der nach Maßgabe des § 14 RVG auszufüllen ist.
Wie sich aus der gesetzlichen Definition ergibt, bedarf es für den Anfall der Gebühr keiner Tätigkeit nach außen, da die Gebühr schon mit der auf den Auftrag folgenden Information des Rechtsdienstleisters durch den Mandanten entsteht, d.h. mit der Übernahme der Stammdaten des Gläubigers und des Gegners sowie der Kommunikation- und Adressdaten und der Informationen zur Forderung. Allerdings muss der Auftrag darauf gerichtet sein, dass der Rechtsdienstleister nach außen hin tätig wird – anderenfalls entsteht nur die Beratungsgebühr nach § 34 RVG.
Hinweis
Es ist für die Praxis zu erkennen, dass es gerade bei Inkassodienstleistungen notwendig ist, die übermittelten Daten zu verifizieren und zu erkennen, ob hier schon ein Grund für die Nichtzahlung liegen kann. Dabei werden
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durch die Adressnormierung, -verifizierung und -ermittlung die Kommunikationskanäle |
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durch Einsicht in das Handelsregister oder sonstige Register, z.B. zur Prüfung der korrekten Firmierung bei juristischen Personen |
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durch die Identitätsprüfung die Fälle des Identitätsdiebstahls im Rahmen des Möglichen und |
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durch Abfrage des Schuldnerverzeichnisses und von Bonitätsdaten |
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durch Prüfung der Insolvenzbekanntmachungen |
die Leistungsfähigkeit des Schuldners überprüft. Es handelt sich hierbei um teilweise umfangreiche Tätigkeiten, die aber nicht unmittelbar nach außen sichtbar werden.
Rz. 317
& Checkliste: Genereller Abgeltungsbereich der Geschäftsgebühr
Da die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäftes entsteht, werden mit ihr folgende Tätigkeiten abgegolten:
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die Aktenanlage und Aufnahme der Information vom Mandanten einschließlich des Studiums aller Unterlagen; |
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die Kommunikation mit dem Gläubiger als Mandanten einschließlich der Anspruchsprüfung und Erörterung des sich daraus ergebenden Vorgehens; |
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die Erstellung von Mahnschreiben an den Schuldner oder einen Dritten; |
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die Einholung von Auskünften über Aufenthalt, Status, Einkommen und Vermögen des Schuldners; |
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die Durchführung von telefonischen oder persönlichen Besprechungen mit dem Schuldner oder einem Dritten; |
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der Entwurf von Vereinbarungen mit dem Schuldner. |
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Seit dem 1.10.2021 ist bei diesem generellen Abgeltungsbereich zwischen der Rechts- und der Inkassodienstleistung zu unterscheiden. |
bb) Das Betreiben des Geschäftes bei einer Inkassodienstleistung
(1) Das Entstehen des Gebührentatbestandes
Rz. 318
Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, bei der Forderungseinziehung die Relation zwischen den anfallenden Gebühren und dem tatsächlichen Aufwand zu verändern. Neben der – tatsächlich nicht untersuchten – Behauptung zum geringeren Aufwand wird geltend gemacht, dass eine Geschäftsgebühr, die die Hauptforderung überschreitet, keine gesellschaftliche Akzeptanz findet.
Hinweis
Während die erste Behauptung nicht belegt ist, ist die zweite Behauptung sachfremd.
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Dass der Aufwand für die vorgerichtliche Einziehung einer Forderung unter 50 EUR im Durchschnitt mit 27 EUR (0,9 aus 30 EUR), auskömmlich gestaltet werden kann, ist weder untersucht noch sonst ersichtlich. Aus diesem Betrag müssen die Personal- und Sachkosten wie etwa auch die Miete und Büroeinrichtung bestritten werden. |
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Eine Untersuchung in der Schweiz kommt zu einem durchschnittlichen vorgerichtlichen Zeitaufwand für die Forderungseinziehung ab dem Zeitpunkt der erfolglosen 2. vorgerichtlichen Mahnung von 157,9 Minuten. Dabei haben die Experten die durchschnittlichen Aktivitäten in ihrer Art und ihrer Häufigkeit (!) bewertet. Wollte man daran die eigentliche Vergütung von bisher 58,50 EUR (1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert bis 500 EUR) messen, ergibt sich ein Stundenlohn von 22,23 EUR. Davon muss der Rechtsdienstleister noch die Personalkosten und seine allgemeinen Bürokosten sowie die Steuern bestreiten. Auch wenn für Deutschland – bedauerlicherweise – eine vergleichbare Untersuchung fehlt, deutet die Studie jedenfalls nicht darauf hin, dass die bis zum 30.9.2021 im RVG vorgesehenen Gebühren zu niedrig bemessen sind. Dabei muss beachtet werden, dass die Arbeitsschritte in der vorgerichtlichen Forderungseinziehung weit über ein einziges Mahnschreiben hinausgehen und ... |