Rz. 202
Nur noch vereinzelt wird die Auffassung vertreten, Inkassokosten seien grundsätzlich nicht als Verzugsschaden erstattungsfähig. Dies gelte auch für deren Erstattung in Höhe der fiktiven vorgerichtlichen Anwaltskosten. Teilweise wird diese Auffassung schon nicht begründet. Zum Teil wird ausgeführt, dass die Tätigkeit eines Inkassodienstleisters mit der eines Anwaltes nicht vergleichbar sei oder die Wahl eines Inkassodienstleisters deshalb nicht sachgerecht sei, weil eine Durchsetzung der Forderung gegen den Schuldner nur im Wege der Zwangsvollstreckung möglich sei. Diese Auffassung ist heute nicht mehr vertretbar.
Die Kosten eines Inkassobüros können nach dem BVerfG – wenngleich aus seiner Sicht im Einzelnen manches umstritten ist (vgl. BGH NJW 2005, 2991 m.w.N.) – nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden. Eine andere Sicht der Dinge sieht das BVerfG als willkürlich an. Der Tatrichter müsse dann zumindest ein Rechtsmittel zulassen.
Der BGH hat schon in seinem Urt. v. 24.5.1967 – VIII ZR 278/64, welches mit dem Abschnitt II, der sich mit den Inkassokosten befasst, allerdings nicht veröffentlicht war, ausgeführt, dass die Inkassokosten grundsätzlich als Verzugsschaden in Betracht kommen:
Rz. 203
Der BGH im Wortlaut:
Zitat
"Auch die Forderung des Klägers auf Zahlung von Bearbeitungsgebühren und Mahnspesen des Vereins C. ist nicht zur Entscheidung reif. Es ist zwar denkbar, dass der Kläger auch dann, wenn die Forderung von 14.000 DM begründet ist, diese Spesen und Gebühren nicht beanspruchen kann. Der Senat kann jedoch die endgültige Entscheidung noch nicht treffen. Die einem Gläubiger durch den Auftrag zur Einziehung einer Forderung bei einem Inkassobüro entstehenden Kosten können sich als ein Verzugsschaden darstellen, der nach § 286 BGB zu ersetzen ist. Der Verzug ist grundsätzlich die adäquate Ursache der Kosten, weil der im Verzug befindliche Schuldner mit Beitreibungskosten rechnen muss. Hier hat sich die Beanspruchung eines Inkassobüros aber als erfolglos herausgestellt. In einem solchen Fall fragt es sich, ob der Gläubiger die Erfolglosigkeit voraussehen konnte und zur Abwendung des durch die Inanspruchnahme eines Inkassobüros erwachsenden Schadens von einer solchen Beauftragung nach § 254 Abs. 2 BGB hätte absehen müssen (Siegert, Betr. 1965, 1767). Das Berufungsgericht wird daher gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Kläger nicht etwa nach dem Verhalten der Beklagten damit rechnen musste, sie werde ernstlich einwenden, dass der Vertrag vom 23.2.1962 unverbindlich sei, und er werde in jedem Fall den Klageweg beschreiten müssen."
Rz. 204
Diese Auffassung hat der Senat später ausdrücklich bestätigt, wenn er unter Bezugnahme auf die soeben zitierte Entscheidung ausführt:
Zitat
"Der Senat hat in einer Entscheidung vom 24.5.1967 (VIII ZR 278/64, unter II) die einem Gläubiger durch den Auftrag zur Einziehung einer Forderung bei einem Inkassobüro entstandenen Kosten als möglichen Verzugsschaden angesehen, der grundsätzlich gemäß § 286 BGB zu ersetzen ist, und lediglich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB die Frage aufgeworfen, ob der Gläubiger eine Erfolglosigkeit der Bemühungen des Inkassobüros voraussehen konnte."
Rz. 205
Der Bundesgerichtshof hat also gerade nicht darauf abgestellt, dass es Unterschiede in der Sachbearbeitung durch einen Rechtsanwalt oder ein Inkassobüro gibt, sondern er hat alleine unter dem Blickwinkel der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB die Frage aufgeworfen, ob der Gläubiger erkennen musste, dass eine Beauftragung sowohl des Inkassodienstleisters als auch später des Rechtsanwaltes erforderlich werden würde, so dass eine doppelte Kostenlast absehbar gewesen wäre. Eine solche doppelte Kostenlast war früher häufiger möglich. Heute kommt das durch die Deckelung des Erstattungsanspruchs in § 13e RDG, von 2013 bis zum 1.10.2021 nach § 4 Abs. 5 RDGEG, nicht mehr in Betracht.
Rz. 206
In den genannten Entscheidungen der Amtsgerichte und vielen tagtäglichen Hinweisen und Entscheidungen unterhalb der Veröffentlichungsebene wird aber genau diese Frage nicht aufgeworfen. Das führt zu dem Ergebnis, dass sie im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen. Damit ist – angesichts des regelmäßig 600 EUR nicht übersteigenden Streitwertes – nach § 511 Abs. 4 ZPO grundsätzlich die Berufung zuzulassen, wenn die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten schon dem Grunde nach verneint wird. Das wurde schon in der Erstauflage so vertreten und wurde nun vom BVerfG inzwischen mehrfach bestätigt.
Rz. 207
Hinweis
Auch wenn ein Antrag auf Zulassung der Berufung nicht erforderlich ist, weil hierüber von Amts wegen zu entscheiden ist, sollte der Gläubiger einen solchen Antrag grundsätzlich stellen. Wird dieser nicht beschieden oder die Nich...