Rz. 124
Zunächst ist festzustellen, dass in der Literatur als weitgehend anerkannt gelten kann, dass es keine grundsätzliche Verpflichtung des Gläubigers gibt, das Forderungsinkasso insgesamt selbst zu betreiben, soweit er hierzu rechtlich und tatsächlich in der Lage ist. Dies wird neuerdings allerdings wieder von Verbraucherzentralen in Frage gestellt, wenn die Auffassung vertreten wird,
Rz. 125
Rudloff ist der Auffassung, dass als Eigenbemühungen des Gläubigers lediglich die verzugsbegründende Mahnung nach § 286 Abs. 1 BGB erwartet werden kann. Soweit diese nach § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich sei, könne allenfalls noch eine erste Zahlungsaufforderung erwartet werden. Leiste der Schuldner trotz Mahnung bzw. Zahlungsaufforderung durch den Gläubiger nicht, sei kein Grund ersichtlich, warum der Gläubiger sich nicht der erstattungsfähigen Hilfe eines Rechtsanwaltes oder Inkassodienstleisters dürfe.
Rz. 126
Jäckle zeigt sich hier zurückhaltender und kritischer. Er verfolgt einen eher organisatorisch ausgerichteten Ansatz. Er geht davon aus, dass etwa die reine Auslagerung einer Mahnabteilung auf ein rechtlich selbstständiges, aber vom Gläubiger beherrschter Inkassodienstleister noch nicht dazu führt, dass die bei dem ausgelagerten Inkassodienstleister entstandenen Inkassokosten vom Schuldner zu erstatten sind, weil der Gläubiger diese Aufgaben auch selbst erledigen hätte können. Mit der Auslagerung werde ein künstlicher Schadensposten mit der Folge einer Umgehung des vom BGH aufgestellten Grundsatzes geschaffen, dass die üblichen persönlichen Bemühungen zur Realisierung einer Forderung zum eigenen Pflichtenkreis des Gläubigers gehören. Anderenfalls würde auch eine nicht gerechtfertigte Besserstellung im Verhältnis zu Privatpersonen und kleineren Betrieben vorliegen, deren Aufwand in Form der Aufopferung von Freizeit mangels eigener Mahnabteilung als Teil der Gemeinkosten nicht als aussonderungsfähiger und damit abgrenzbarer Schadensposten darstellbar sei. Ein wichtiges und durch eine entsprechende Beweisführung zu erhärtendes Indiz für eine derartige "Auslagerung" liege vor, wenn der Inkassodienstleister nur für einen begrenzten Personenkreis als Kunden – gemeint sind wohl die verbundenen Unternehmen – tätig ist. Insoweit geht Jäckle also davon aus, dass der Gläubiger grundsätzlich eine Mahnabteilung unterhalten muss. Es sei allerdings anzuerkennen, dass die zumutbaren Eigenbemühungen in den Fällen ihre Grenze finden, in denen der Inkassodienstleister ausnahmsweise eine über das übliche Vorgehen der Mahnabteilung eines Großunternehmens hinausgehende Tätigkeit entfaltet bzw. der Inkassodienstleister nach allgemeinen Grundsätzen einen Anwalt hätte einschalten dürfen, dessen Kosten als Verzugsschaden oder prozessual zu ersetzen gewesen wären. Jäckle wird danach im Wesentlichen zu den gleichen Erkenntnissen kommen müssen wie Rudloff. Allerdings zieht Jäckle unter Berufung auf Wilhelm in Zweifel, dass Inkassodienstleister mehr tun als Mahnabteilungen von Großunternehmen.
Hinweis
Die Ansicht ist insoweit durch die gesetzlichen Reformen überholt, als Inkassodienstleister nicht nur faktisch mehr tun als firmeninterne Mahn- und Inkassoabteilungen, sondern durch die Anerkennung als Rechtsdienstleister seit dem 1.7.2008 auch in anderer Weise qualifiziert die Forderungsbeitreibung durchführen. Das beruht auf der ausdrücklichen Anerkennung des Bundesverfassungsgerichtes, dass Inkassodienstleister qualifizierte Rechtsdienstleistungen erbringen. Auch der BGH hat die besondere Sachkunde der Inkassodienstleister, die bei Rechtsanwälten außer Frage steht, aktuell wieder anerkannt.Jäckle übersieht einen weiteren Aspekt, den der BGH an anderer Stelle hervorhebt: Mit der Beauftragung eines Rechtsdienstleisters, sei es eines Rechtsanwaltes oder eines Inkassodienstleisters, verleiht der Gläubiger seinem Forderungsverlangen Nachdruck. Höchstrichterlich ist auch geklärt, dass der Gläubiger entscheiden darf, wie er die Forderungseinziehung organisiert und er nicht gehalten ist, eine Mahn- und Inkassoabteilung vorzuhalten. Nicht zu lösen ist auch der Widerspruch, dass ein Schuldner, der gegenüber einem "Großunternehmen" säumig bleibt, besser gestellt wird als ein Schuldner, der bei einem kleinen Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt.
Rz. 127
Rieble stellt ebenfalls auf den Begriff der gebotenen und üblichen Eigenbemühungen ab, die grundsätzlich nicht erstattungsfähig seien. Dies könne auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Gläubiger diese Eigenbemühungen auf Dritte übertrage. Der Schadensersatzanspruch sei aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf die zur Wiederherstellung des geschuldeten Zustandes erforderlichen Geldmittel beschränkt. Der Gläubiger dürfe also "keine Fremdkosten verursachen, wo er selbst umsonst hätte tätig werden müssen. Die Kosten für gebotene und übliche Eigenbemühungen kann der Gläubiger nicht dem Schuldner aufbürden, indem er Dritte beauftragt." A...