Rz. 252
Nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB muss der Geschädigte (Gläubiger), den Schädiger (Schuldner) auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hinweisen.
Wann ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles. Sie hängt nicht zuletzt von der Höhe der Hauptforderung, des notwendigen Einziehungsaufwandes und möglicher weiterer Folgen der Nichtleistung für den Gläubiger wie den Schuldner ab. Der drohende Schaden liegt zunächst immer in der Beauftragung eines Rechtsdienstleisters und die hierdurch entstehenden Vergütungsansprüche, die ersetzt verlangt werden können. Der Schaden des Gläubigers durch die Nichtleistung des Schuldners kann aber weit über die möglichen Rechtsverfolgungskosten hinausgehen, etwa wenn dem Gläubiger durch die Nichtleistung Investitionsmittel entzogen werden, die er sich anderweitig nicht beschaffen kann, so dass ein Folgegeschäft nicht zustande kommt. Auch wenn besonderes hohe Zinsen als konkreter Schaden anfallen, kommt eine Hinweispflicht in Betracht. Die Warnpflicht besteht nur, wenn und soweit der Gläubiger die Gefahr eines besonders hohen Schadens für sich erkannt hat oder jedenfalls hätte erkennen können und der Schuldner nicht selbst über entsprechende Erkenntnisse verfügte.
Beispiel
Entzieht sich der Schuldner dem Zugriff des Gläubigers, indem er umzieht, ohne seine Meldepflichten nachzukommen, muss der Gläubiger ihn nicht darauf hinweisen, dass die Aufenthaltsermittlung mit erheblichen Kosten verbunden sein kann.
Ein ungewöhnlich hoher Schaden entsteht im Verhältnis zur Hauptforderung dann, wenn die Inkassokosten oder überhaupt die Rechtsverfolgungskosten die Hauptforderung erreichen oder übersteigen. Dies ist insbesondere bei kleinen Forderungen schnell der Fall.
Beispiel
Wird der Schuldner darauf hingewiesen, dass bei einer fortgesetzten Nichtleistung einer Hauptforderung von 19,90 EUR ein Rechtsdienstleister beauftragt wird, so dass dessen Vergütung bei einer 0,9-Geschäftsgebühr 32,40 EUR netto beträgt, d.h. mehr als das 1,5-fache, kann er nachher nicht damit gehört werden, es seien übermäßige Rechtsverfolgungskosten entstanden, zumal die Begrenzung der Höhe nach durch § 13e RDG gewährleistet wird.
Unter dem Blickwinkel von § 254 Abs. 2 S. 1 BGB ist deshalb zu fordern, dass der Gläubiger den Schuldner darauf hinweist, dass seine weitere Nichtleistung die Beauftragung eines Inkassodienstleister oder eines Rechtsanwaltes nach sich ziehen kann, so dass er Kenntnis davon erhält, dass der weitere Forderungseinzug extern erfolgt und damit auch weitere Kosten verursacht. Es kann dabei nicht gefordert werden, dass der Gläubiger auch auf die exakte Höhe der Kosten hinweist, da ihm diese zum Zeitpunkt des Hinweises regelmäßig nicht bekannt sein werden, da die Beauftragung des Inkassodienstleisters noch nicht erfolgt ist.
Rz. 253
Formulierungsbeispiel
"Sofern in der gesetzten Frist keine Zahlung erfolgt, werden wir einen Inkassodienstleister oder einen Rechtsanwalt mit der weiteren Forderungseinziehung beauftragen. Dies verursacht erhebliche Rechtsverfolgungskosten und verursacht einen fortgesetzten Zinsschaden, die die Hauptforderung übersteigen können."
Dem Schuldner steht nun die Möglichkeit offen, der Schadensersatzpflicht zu entgehen, indem er entweder leistet oder dem Gläubiger zumindest glaubhaft macht, dass er derzeit nicht leistungsfähig ist, so dass eine Stundungsvereinbarung getroffen oder ein Ratenzahlungsvergleich geschlossen werden kann. Reagiert der Schuldner nicht, können weitere Aktivitäten in Form von weiteren Hinweisen des Gläubigers auch über § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nicht gefordert werden. Mit der Mahnung wird einerseits der Verzug im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB begründet, andererseits der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2, 1. Alt. genügt. Jede weitere Mahnung des Gläubigers ist eine überobligatorische Leistung.
Rz. 254
Hinweis
Dabei muss einerseits beachtet werden, dass ab diesem Zeitpunkt auch Rechtskenntnisse des Gläubigers verlangt werden müssten, etwa zum Beginn, der Dauer und der abschließenden Berechnung der Verjährung der Forderung. Solche Rechtskenntnisse fehlen aber nicht selten. Andererseits würde die weitere Forderungseinziehung durch den Gläubiger Chancen der Forderungsrealisierung ungenutzt lassen. So wird aus der Praxis immer wieder berichtet, dass Schuldner die Frage, warum eine frühere Leistung nicht erfolgte, damit beantworten, dass sie sich gegenüber dem Gläubiger nicht getraut haben, ihre Zahlungsschwierigkeiten zu offenbaren. Erst dieses Eingeständnis schafft dann die Grundlage für eine Ratenzahlungsvereinbarung und in der Folge auch eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung. So werden im bargeldlosen Zahlungsverkehr die EC- oder Kreditkarten des Schuldners gesperrt, wenn es zu einer Rücklastschrift kommt.