Rz. 132
Die Auffassungen in der Literatur finden auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ihren Widerhall. So hat der Bundesgerichtshof bereits 1969 festgestellt, dass "in der Regel niemand gehalten ist – auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht – derartige Arbeiten, soweit sie Dritten übertragen werden können, selbst auszuführen; wenn diese Arbeiten Dritten übertragen werden, sind die dafür entstehenden Kosten auch zurechenbare Folge der Sachbeschädigung." Der BGH hat in diesem Urteil also nicht darauf abgestellt, ob die Notwendigkeit besteht, die Aufgabe auf einen Dritten zu übertragen, weil der Gläubiger selbst in der Lage wäre, diese Aufgabe wahrzunehmen oder sich jedenfalls eine entsprechende Kompetenz zu verschaffen. Der BGH hat es vielmehr als ausreichend angesehen, dass die Möglichkeit besteht, die Aufgabe auf einen Dritten zu übertragen.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher bereits angelegt, dass jenseits der nach der Verkehrsanschauung zumutbaren Eigenaufwendungen ein Ersatzanspruch bestehen kann und zwar auch dann, wenn diese Tätigkeit prinzipiell von dem Gläubiger selbst ausgeführt werden könnte.
Diesen Aspekt greift der BGH dann auch in seiner viel zitierten Entscheidung von 1976 auf, wenn er dort formuliert, dass der Geschädigte für den eigenen Zeitaufwand bei der Schadensabwicklung keinen Ersatz verlangen kann, "jedenfalls soweit dabei der übliche Rahmen nicht überschritten wird". Daran hält er weiterhin fest.
Rz. 133
Ein Urteil, welches auf den ersten Blick allerdings eher gegen die Erstattungsfähigkeit der überobligatorischen Eigenleistungen spricht, hat der VII. Senat des BGH am 20.12.1979 erlassen. Hier hatte eine Privatärztliche Verrechnungsstelle zunächst für einen Arzt über dessen Honorarforderung die Rechnung erstellt und den Betrag geltend gemacht. Nachdem die Forderung wegen behaupteter mangelhafter ärztlicher Leistung bestritten wurde, hat der Arzt diese an die Privatärztliche Verrechnungsstelle abgetreten, die den Anspruch neben Mahnkosten des Arztes und den eigenen "Verwaltungskosten aus Verzug" nun im eigenen Namen gerichtlich weiterverfolgte. Der BGH hob die Ausgangsentscheidung aus prozessualen Gründen auf und verwies die Sache an das OLG zurück, um dort die sachliche Berechtigung der Honorarforderung zu prüfen. Wegen der Mahnkosten des Rechtsanwaltes hat er die Klage abgewiesen, weil diese nicht mit abgetreten waren. Wegen der "Verwaltungskosten aus Verzug" hat der BGH die Klage mit der Begründung abgewiesen, "es handelt sich um Kosten, die nach der Abtretung der Honorarforderung bei der Klägerin entstanden sind. Für den eigenen Aufwand an Zeit und Arbeit bei der Einziehung einer Forderung kann kein Ersatz verlangt werden (BGHZ 66, 112 ff.). Das gilt auch für den Inkassozessionar."
Rz. 134
Diese auf den ersten Blick im negativen Sinne klare Entscheidung, relativiert sich allerdings durch den Bezug auf die Entscheidung "BGHZ 66, 112 ff.". Es handelt es sich nämlich um die Entscheidung des VI. Senates des BGH vom 9.3.1976, die bereits zuvor behandelt wurde. Aus dieser Entscheidung lässt sich also nur ableiten, dass der VII. Senat des BGH die Bearbeitung von sachlichen Einwendungen gegen die Leistung des Gläubigers und die darauf gestützte Leistungsverweigerung des Schuldners als eine nach der Verkehrsauffassung übliche eigene Mühewaltung des Gläubigers ansieht. Dem wird nicht zu widersprechen sein, sofern die Einwendungen unmittelbar auf die Rechnungsstellung mit Einreden oder Einwendungen folgen.
Dieser Fall ist aber von der bei der Beauftragung von Rechtsdienstleistern üblichen Konstellation zu unterscheiden, dass der Schuldner auf die Rechnung und auch die anschließende verzugsbegründende oder weitere Mahnung keine sachlichen Einwendungen erhebt und schlicht nicht zahlt, ohne dass die Gründe hierfür dem Gläubiger bekannt sind und deshalb seiner Entscheidung über den richtigen Weg der Forderungsbeinziehung nicht zugrunde gelegt werden können. Werden die Einwendungen oder Einreden erst nach der Beauftragung des Rechtsdienstleister in einem späteren Stadium der Forderungseinziehung erhoben, bleibt dies unerheblich. In diesem Zeitpunkt sind die Rechtsverfolgungskosten, insbesondere die Geschäftsgebühr nebst Auslagen schon entstanden. Um dies zu sehen ist es von zentraler Bedeutung auf die jeweilige ex-ante-Sicht abzustellen.
Rz. 135
Auch ganz aktuell nimmt der BGH diese Ansätze auf. In seiner Entscheidung vom 17.9.2015 formuliert der BGH unter dem Obersatz der Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit wie folgt:
Zitat
"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urt. v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; vom 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; vom 18....