Rz. 51
Weiter nennt § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB als Voraussetzung für die Entbehrlichkeit der Mahnung "besondere Umstände, die bei Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Verzugseintritt rechtfertigen". Es handelt sich um eine Auffangbestimmung, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Neben der (vorherigen oder gleichzeitigen) Fälligkeit der Leistung muss sich aus den Umständen des Einzelfalles ergeben, dass nur eine sofortige oder an einem ganz bestimmten Zeitpunkt erbrachte Leistung den berechtigten Interessen des Gläubigers entspricht.
Den meisten Praxisfällen liegen Konstellationen zugrunde, die sich nicht auf die Erbringung einer Geldschuld beziehen. Insoweit sollen diese hier nicht vertieft werden. Für die Beitreibung von Geldforderungen im Zusammenhang mit § 286 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist allerdings an ein die Mahnung verhinderndes Verhalten des Schuldners zu denken. Hierher gehören die Fälle, in denen sich der Schuldner etwa einer Mahnung entzieht.
Beispiel
Der Schuldner zieht in der Kenntnis um, dass gegen ihn noch Forderungen bestehen, ohne hiervon die Gläubiger in Kenntnis zu setzen, seinen Meldepflichten nachzukommen und einen Nachsendeantrag zu stellen.
Rz. 52
Zu nennen ist aber auch der Fall, in dem der Schuldner dem Gläubiger bewusst wahrheitswidrig mitteilt, dass er an einem bestimmten Termin leisten werde oder dass die Leistung sogar schon "unterwegs" (= überwiesen) sei, so dass der getäuschte Gläubiger keine Notwendigkeit für eine Mahnung sieht und deshalb hiervon Abstand nimmt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Selbstmahnung.
Das OLG Köln hat es für eine solche "Selbstmahnung" bereits als ausreichend erachtet, dass der Schuldner zusagt, höhere Unterhaltsleistungen zu erbringen. Dem wird in der Kommentarliteratur zum Teil beigepflichtet. Teilweise wird dies aber auch als zu weitgehend erachtet, weil dann der Schuldner schlechter gestellt würde, der sich äußert, während derjenige, der gänzlich untätig bleibt, zunächst noch eine Mahnung erhalten muss, um in Verzug zu geraten. Letztlich wird auch hier darauf abzustellen sein, ob sich der Schuldner nach Treu und Glauben darauf verweisen lassen muss, dass er eine Situation geschaffen hat, in der der Gläubiger von der Entbehrlichkeit einer Mahnung ausgehen durfte.
Rz. 53
Werden regelmäßig wiederkehrende Leistungen vom Schuldner zunächst erbracht, dann aber die Folgezahlungen eingestellt, nimmt die Rechtsprechung an, dass in der Zahlungseinstellung ein besonderer Grund im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB liegt, um einen sofortigen Verzugseintritt zum nächsten Fälligkeitstermin anzunehmen, ohne dass es einer weiteren Mahnung bedarf. Erforderlich sei allein, dass der Schuldner aus den früheren Zahlungen den Grund und die Höhe des regelmäßig wiederkehrend gegen ihn bestehenden Anspruchs kennt. Diese Fallgruppe ist von besonderer Bedeutung, wenn der Schuldner Vergleichsvereinbarungen mit Ratenzahlungen nicht einhält.
Rz. 54
Die Frage, ob bei Rücklastschriften ein Fall des § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB gegeben ist, ist höchstrichterlich zwar noch immer nicht entschieden. Gleichwohl wird dies in der Instanzrechtsprechung zu Recht angenommen.
Mit der Zustimmung zur Durchführung des elektronischen Lastschriftverfahrens durch Unterschrift auf dem Lastschriftbeleg gibt der Schuldner die Erklärung ab, dass er dem Gläubiger gegenüber die umgehende Zahlung eines bestimmten Betrags zusichert und dass er das für den Forderungsausgleich Erforderliche getan hat. Er hat auch unmittelbare Kenntnis davon, dass mit der erteilten Lastschrift – insbesondere bei Einsatz einer Zahlungskarte seiner Bank – ein unmittelbarer Einzug erfolgt. Die Unterschrift auf dem Lastschriftbeleg stellt somit eine sog. "Selbstmahnung" i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB dar, die eine Zahlungsaufforderung durch den Gläubiger entbehrlich macht. Dies gilt einerseits, wenn es "mangels Deckung" zu einer Lastschrift kommt und mehr noch, wenn der Schuldner nach der erfolgten Lastschrift "widerspricht" und damit die Forderung sogar bestreitet.
Scheitert der Lastschrifteinzug, so befindet sich der Schuldner ab dem Zeitpunkt des Scheiterns in Verzug, weshalb ihm später anfallende Kosten der Forderungseinziehung als Verzugsschaden auferlegt werden können. Der Zinsschaden ist also ebenso auszugleichen wie die rechtsverfolgungskosten.
Es kann nicht bestritten werden, dass der Verzugseintritt und die damit einhergehenden Rechtsfolgen auf den ersten Blick in manchen Fällen unbillig erscheinen mögen, etwa wenn es zu einem technischen Fehler bei der Abwicklung kommt oder lediglich für kurze Zeit wegen eines verspäteten Eingangs des Gehalts oder der Rente keine ausreichende Deckung auf dem Girokonto vorhanden ist. Es darf aber – beim zweiten Blick – nicht übersehen werden, dass diese Umstände in der Sphäre des Schuldners liegen und allein er eine Handlungsalternative hat. Ist die Einlösung der Lastschrift nicht gewährleistet, kann er bar zahlen oder jedenfalls den V...