Rz. 145

Das hier beispielhaft in seiner Entscheidung herangezogene Amtsgericht[353] sieht sich Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn es behauptet, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Forderungseinziehung der Beauftragung einer anwaltlichen Kündigung gleichstehe und damit im ersten wie im zweiten Fall die entstandenen Rechtsverfolgungskosten nicht zu ersetzen seien. Es irrt und übersieht wesentliche Unterschiede in den beiden Fallkonstellationen.

Am 6.10.2010 hat der BGH entschieden, dass ein gewerblicher Großvermieter in einem tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall für die Abfassung einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung eines Wohnungsmietvertrags keiner anwaltlichen Hilfe bedarf. Die Kosten für einen gleichwohl beauftragten Rechtsanwalt sind dann vom Mieter nicht zu erstatten.[354] Diese Entscheidung hat er am 31.1.2012 betreffend einen ausländischen Vermieter bestätigt.[355] Das Amtsgericht meint, es handele sich um einen vergleichbaren Fall zur Forderungseinziehung und will hieraus ableiten, dass ein Großvermieter auch für die Forderungseinziehung keiner vorgerichtlichen anwaltlichen Hilfe bedarf. Eine solche Vergleichbarkeit lässt sich allerdings nicht begründen.

 

Rz. 146

Die Kündigung eines Mietverhältnisses stellt sich als Ausübung eines Gestaltungsrechtes dar. Hieran knüpfen sich sodann weitere vertragliche und gesetzliche Ansprüche. In den Fällen des BGH war eindeutig, dass ein Kündigungsgrund vorlag. Damit ist zu sehen, dass die Kündigung dem Bereich der Feststellung eines Anspruches (zur Räumung) und nicht von dessen fortgesetzter Geltendmachung zuzuordnen ist. Auch liegt nicht einmal Verzug im Hinblick auf den mit der Kündigung erstrebten Zweck der Räumung vor. Dass Verzug mit den Mietforderungen Grundlage der Kündigung ist, bleibt insoweit rechtlich unerheblich. Die Kündigung ist jedenfalls ein selbstständiges Gestaltungsrecht mit dem eigenständigen Anspruch auf Räumung. Sie ist nicht Voraussetzung des Zahlungsanspruchs. Ob gekündigt werden soll, ist dazu eine unternehmerische Entscheidung und keine Rechtsfrage.

 

Rz. 147

Anders als bei der Forderungseinziehung gehört die Kündigung als gestaltendes Element also zu den Obliegenheiten des Vermieters. Der Mieter muss nicht räumen, bevor nicht gekündigt wurde. Das ist bei der Begründung einer Zahlungsforderung nach Verzug allerdings anders. Vor diesem Hintergrund hat der BGH in seiner Entscheidung vom 31.1.2012 auch ausdrücklich nur für die "Erstmahnung", d.h. die verzugsbegründende Mahnung die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung in Zweifel gezogen,[356] mithin gerade nicht für die Folgemahnungen, bei denen er die Zulässigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes ausdrücklich annimmt.[357] Die Begründung des Verzuges – vergleichbar der Kündigung – gehört bei vertraglichen Ansprüchen zu den Obliegenheiten des Gläubigers (siehe oben), eben aber nicht die darüberhinausgehenden Forderungsbeitreibungstätigkeiten.

 

Rz. 148

Für den konkret vom Amtsgericht entschiedenen Fall ist zu sehen, dass die Gläubigerin die Erstmahnung als verzugsbegründende Mahnung selbst und ohne das Verlangen nach Kostenerstattung versandte und in der Folge weitere ein bis zwei Mahnungen in gleicher Weise dem Schuldner zukommen ließ. Es ist nicht erkennbar, dass die nachfolgende Beauftragung eines Rechtsdienstleisters in irgendeiner Weise von der Entscheidung des BGH v. 6.10.2010 tangiert wird, geschweige denn im negativen Sinne sanktioniert wird.

[353] Ähnlich wohl auch Mettler, Inkassokosten und Rechtsanwaltsgebühren – Verzugsschadensersatzanspruch oder nicht erstattungsfähiger Eigenaufwand?, MietRB 2013, 57, 60.
[356] BGH v. 31.1.2012 – VIII ZR 277/1, Rn 8 – zitiert nach juris.

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