Rz. 35
Der Gläubiger ist für den Zugang der Mahnung darlegungs- und beweispflichtig, wenn der Schuldner diesen bestreitet. Kann der Gläubiger diesen Nachweis dann nicht führen, kann dies für ihn fatale Folgen haben.
Rz. 36
Beispiel
So hat der BGH in einem Fall den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten verweigert, in dem eine Mahnung nicht entbehrlich war und der nach Rechnungsstellung umgezogene Schuldner trotz eines nachgewiesenen Nachsendeantrages bei der Post bestritt, eine Mahnung erhalten zu haben. Der Gläubiger beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Aufenthaltsermittlung und dem außergerichtlichen Inkasso. Da der Gläubiger den Zugang der Mahnung aber nicht nachweisen konnte, gingen die Kosten des Rechtsanwaltes nicht kausal auf den Verzugseintritt zurück, so dass der Gläubiger diese selbst tragen musste.
Der Schuldner muss bei bestehenden vertraglichen Beziehungen im Falle eines Umzugs Vorkehrungen für den Zugang rechtsgeschäftlicher Erklärungen seines Vertragspartners treffen. Hierfür genügt jedoch – jedenfalls bei Verbrauchern – ein Nachsendeauftrag bei der Post. Auch Meldepflichten muss der Schuldner ordnungsgemäß nachgekommen sein. Teilt der Schuldner seine neue Anschrift dem Gläubiger mit, muss dieser dies selbstverständlich auch zur Kenntnis nehmen. Dass eine solche Mitteilung erfolgt ist, hat wiederrum der Schuldner als ihm günstige Tatsache darzulegen und zu beweisen.
Der Gläubiger kann den Zugang einer Mahnung nur rechtssicher nachweisen, wenn er entweder durch einen Rückruf oder einen Kontrollanruf im Rahmen des Telefoninkasso, durch den Einwurf der Mahnung durch einen Boten bzw. den Außendienst (= Zeugen) oder durch die Übersendung der Mahnung als PRIO-Sendung, per Einwurf-Einschreiben oder Einschreiben-Rückschein oder andere förmliche Zustellungsarten den Zugang dokumentiert. In Betracht kommt bei wirtschaftlich bedeutenden Angelegenheiten auch die Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher. Ansonsten läuft er wie im o.g. Fall Gefahr, dass der Schuldner den Zugang bestreitet und so die entstandenen Kosten eines Bevollmächtigten – dies gilt für die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes ebenso wie für Inkassokosten – nicht erstattet erlangt. Die meisten Gläubiger verzichten allerdings aus wirtschaftlichen Gründen auf solche Nachweismöglichkeiten. Selbstverständlich kann der Zugang allerdings aus Indizien hergeleitet werden. Die Folgen müssen als betriebswirtschaftliches Risiko kalkuliert werden.
Hinweis
Nicht zuletzt aufgrund der beschriebenen Gefahren für den Verzugsschadensersatzanspruch bei bestrittenem Zugang einer Mahnung und dem erheblichen Aufwand, um eine Mahnung nachweisbar zugehen zu lassen, versuchen Gläubiger in der Praxis zunehmend, eine vertragliche Situation zu schaffen, in der es ausnahmsweise zum Verzugseintritt keiner Mahnung bedarf. Diese Fälle sind u.a. in § 286 Abs. 2 Nr. 1–4 BGB geregelt und werden nachfolgend abgehandelt.
In der Praxis stellt sich regelmäßig die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Schuldner unbekannten Aufenthaltes ist, gleichwohl aber der Verzugseintritt durch eine Mahnung sichergestellt werden soll, insbesondere um die Forderung verzinsen und Beitreibungskosten liquidieren zu können. Die Beantwortung führt zu einer im Ergebnis unbefriedigenden Möglichkeit.
Die Mahnung ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, da die durch sie ausgelösten Rechtsfolgen kraft Gesetzes und nicht aufgrund des Willens des Gläubigers eintreten. Nach h.M. werden die Vorschriften über Willenserklärungen, so u.a. über die Geschäftsfähigkeit, die Auslegung und den Zugang aber entsprechend angewandt, so dass sich der Zugang nach den §§ 130 ff. BGB bestimmt. Nach § 132 Abs. 2 S. 1 BGB ist es deshalb möglich, die Mahnung nach §§ 185 ff. ZPO öffentlich zuzustellen. Die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung sind inzwischen erleichtert worden, insbesondere ist die sehr kostenintensive Veröffentlichung in einer Tageszeitung nur noch im Ausnahmefall erforderlich. Die öffentliche Zustellung erfolgt nach § 192 ZPO über den Gerichtsvollzieher.
Hinweis
Im Einzelfall ist dem Schuldner nach § 242 BGB allerdings die Berufung auf den fehlenden Zugang der Mahnung verwehrt, wenn er bewusst seinen Aufenthaltsort verschleiert. Da der BGH verlangt, dass der Schuldner Vorkehrungen für den Zugang rechtsgeschäftlicher Erklärungen seines Vertragspartners treffen muss, kann dies auch als Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB wegen der schuldhaften Pflichtverletzung konstruiert werden. Der Naturalersatz nach § 249 BGB liegt dann darin, dass der Schuldner sich so behandeln lassen muss, als sei ihm die Mahnung zugegangen. Letztlich kann in diesen Fällen auf die Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB verwiesen werden.