Rz. 58
Nach § 286 Abs. 3 BGB kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Forderungsaufstellung leistet. Etwas anderes kann allerdings vertraglich vereinbart werden. Mit dem Wort "spätestens" hat der Gesetzgeber dabei deutlich gemacht, dass der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB in der Lage ist, den Verzugseintritt auch zu einem früheren Zeitpunkt sicherzustellen. Es handelt sich also um eine selbstständige Möglichkeit, den Verzugseintritt zu bewirken.
Die Regelung des § 286 Abs. 3 BGB soll den Eintritt des Verzugs in den praktisch häufigen Fällen vereinfachen, in denen bei einer Geldschuld der Zahlung des Schuldners eine Rechnungserstellung durch den Gläubiger vorausgeht. Es reicht nach der Ratio des Gesetzes und der ihr zugrunde liegenden europäischen Zahlungsverzugsrichtlinie (Art. 3 Abs. 3 und 4) deshalb aus, dem Schuldner eine Frist zur Überprüfung der Rechnung zuzubilligen, nach deren Ablauf er ohne weitere Mahnung in Verzug gerät.
Hinweis
Für den Gläubiger kann es sich empfehlen, doppelgleisig vorzugehen, d.h. sowohl auf der Rechnung einen Hinweis nach § 286 Abs. 3 BGB vorzusehen, als auch an den Schuldner nach Maßgabe des § 286 Abs. 1 BGB – früher – zu mahnen. Er vermeidet damit Nachteile, wenn der Schuldner bestreitet, die Mahnung erhalten zu haben.
Rz. 59
§ 286 Abs. 3 BGB stellt seinem Wortlaut nach klar, dass der Verzugseintritt nach dieser Vorschrift nur bei Entgeltforderungen möglich ist. Ist der Schuldner also zur Herausgabe, zu einem Dulden oder Unterlassen oder einer Leistung, die nicht in Geld besteht, verpflichtet, kann der Verzugseintritt nur über § 286 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB bewirkt werden. Entgeltforderung ist aber auch nicht gleichzusetzen mit Geldforderung. Erforderlich ist vielmehr, dass der Schuldner das Entgelt für eine Leistung des Gläubigers zu entrichten hat. Hierunter fallen also beispielsweise Kaufpreisforderungen, Forderungen aus Dienst-, Arbeits- oder Werkverträgen sowie Mietzinsforderungen und Ansprüche aus Mietgarantieverträgen aber auch Telekommunikations-, Versicherungs- oder Versorgungsforderungen. Auch der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gehört hierher.
Rz. 60
Bei Darlehensforderungen ist zu differenzieren. Die Zinsforderung stellt ein Entgelt für die Überlassung des Kapitals dar. Demgegenüber stellt die Verpflichtung zur Rückzahlung des eigentlichen Kapitals kein Entgelt dar, so dass der Rückzahlungsanspruch nicht über § 286 Abs. 3 BGB zum Verzug führen kann. Auch Geldforderungen, die aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung oder einer ungerechtfertigten Bereicherung herrühren, fallen nicht unter § 286 Abs. 3 BGB. Schließlich handelt es sich bei dem Rückgewähranspruch aus § 143 InsO ebenfalls nicht um eine Entgeltforderung i.S.v. § 286 Abs. 3 BGB.
Hinweis
Aufgrund der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB gilt § 286 Abs. 3 BGB nur für Forderungen aus Schuldverhältnissen, die nach dem 1.1.2000 begründet wurden. Für frühere Verpflichtungen gilt noch § 284 Abs. 3 BGB a.F. Die praktische Bedeutung dieser Überleitungsvorschrift wird nicht mehr groß sein.
Rz. 61
Dem Schuldner muss eine Rechnung oder eine gleichwertige Zahlungsaufstellung zugegangen sein. Dabei ist streitig, ob diese die Forderung differenziert aufschlüsseln muss oder ob es genügt, dass der Gesamtbetrag im Sinne einer Pauschalrechnung genannt wird. Im Ergebnis wird es allein darauf anzukommen haben, dass der Schuldner das geforderte Entgelt nach Maßgabe der zwischen ihm und dem Gläubiger getroffenen vertraglichen Vereinbarung nachvollziehen kann. Die Rechnung muss also dem entsprechen, was im Vertrag vereinbart wurde, das Gesetz vorgibt (etwa § 14 VOB/B; § 10 RVG) oder allgemein erwartet werden darf. Als Zahlungsaufstellung reicht auch ein Auszug aus einem (Kunden-)Konto oder ein Anschreiben mit einer Forderungsaufstellung bzw. eine Fälligkeitsmitteilung unter Nennung der fälligen Forderung.
Wie bereits zu § 286 Abs. 1 und 2 BGB dargestellt, kommt es bei einer Zuvielforderung allein darauf an, ob der Schuldner den tatsächlich geschuldeten Betrag für sich hinreichend bestimmen und den Fehler des Gläubigers erkennen kann. Fordert der Gläubiger zu wenig, so lässt dies den Verzugseintritt nach § 286 Abs. 3 BGB unberührt. Die Verzugsfolgen beschränken sich allerdings auf die Teilleistung.
Mangels ausdrücklicher Regelung kann die Schriftform der Rechnung oder der Zahlungsaufstellung nicht verlangt werden, § 126 BGB. Eine nicht unterschriebene Rechnung, ein Fax oder eine E-Mail sind deshalb ausreichend. Ob auch eine fernmündliche oder persönliche Information ausreicht, erscheint als ein eher theoretisches Problem. Nach der Verkehrsauffassung wird unter Rechnung oder Zahlungsaufstellung wohl eher eine irgendwie geartete Perpetuierung oder Speichermöglichkeit (ggfs. nach einem Download) verstanden werden, w...