Rz. 154
Der Geschädigte kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur solche Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Die Erforderlichkeit bestimmt sich dabei nicht nach den Organisationsmöglichkeiten, sondern nach der tatsächlichen Organisation des Gläubigers. Der Schuldner muss jenseits der Obliegenheiten des Gläubigers dessen tatsächliche Organisationsform hinnehmen. Dabei ist zu sehen, dass der Schuldner der Beauftragung eines Rechtsdienstleisters ohne Weiteres entgehen kann, wenn er spätestens auf die Mahnung des Gläubigers die Forderung ausgleicht oder seine Zahlungswilligkeit unter Offenlage seiner (vorübergehenden) Zahlungsunfähigkeit gegenüber dem Gläubiger erklärt. Es kann dann ein Moratorium mit Schuldanerkenntnis und verjährungsverlängernder Vereinbarung zur Forderungssicherung geschlossen werden. Reagiert der Schuldner indes nicht, kann nicht von vorneherein jegliche Zahlungsunfähigkeit unterstellt werden. Die Praxis widerlegt dies ebenso nachdrücklich wie der Umstand, dass bei ca. 6,85 Mio. Schuldnern in 2020 gerade einmal 45.800 Schuldner wirklich auch die Insolvenz beantragen. Auch wenn man von einer wesentlich höheren Überschuldung ausgeht, muss man von dem Schuldner verlangen dürfen, dass er die Situation offenbart und sich um eine Lösung bemüht. Vielfach kommt das Verbraucherinsolvenzverfahren dabei nicht ernsthaft in Betracht, weil die Forderung (auch) aus vorsätzlich begründeter unerlaubter Handlung stammt und deshalb an einer Restschuldbefreiung nicht teilnehmen würde (§ 302 InsO). Wer im Zustand der Überschuldung weitere Verbindlichkeiten begründet, von denen er schon in diesem Zeitpunkt weiß, dass er sie nicht wird erfüllen können, kann den Schutz dieses Verfahrens nicht in Anspruch nehmen. Es ist vielmehr erforderlich, dem Schuldner die Notwendigkeit des Forderungsausgleiches, jedenfalls aber der hierauf gerichteten Kontaktaufnahme des Schuldners mit dem Gläubiger oder seinem Vertreter "nachdrücklich" – wie der BGH formuliert – mithilfe der höheren Autorität und besonderen Darstellungsweise eines Rechtsdienstleisters nahe zu bringen. Auch vermag der Gläubiger regelmäßig die Erfolgsaussichten der Forderungseinziehung und die denkbaren Wege nicht zu überblicken. Auch gilt es häufig einen langen Ate zu haben, die Forderung zu sichern und zu überwachen, bis sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners wieder verbessert haben. Eine mangelnde Leistungsfähigkeit ist regelmäßig nämlich nur eine Momentaufnahme.
Genau dies zeigt der BGH auch in seiner Entscheidung vom 8.11.1994 auf und erlaubt die Beauftragung eines Rechtsanwaltes, wenn der Schuldner auf die berechtigte erste Anmeldung der Forderung durch den Gläubiger nicht reagiert. Dabei ist zu sehen, dass es gerade auch dann im Interesse des Schuldners ist, eine vor- und außergerichtliche Lösung zu finden, wenn er in Zahlungsschwierigkeiten ist. Die Forderung und deren Ausgleich kann mit den Elementen des Schuldanerkenntnisses, der verjährungsverlängernden Vereinbarung, der Abtretung von Rechten und der Einräumung von Auskunftsrechten im Rahmen einer gütlichen Einigung sehr viel kostengünstiger durchgeführt werden als durch eine Titulierung mit anschließenden Vollstreckungsversuchen und der Eintragung des Schuldners im Schuldnerverzeichnis, was seine finanzielle Bewegungsfreiheit weiter einschränkt und die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr verteuert. Die abweichende Sichtweise des Amtsgerichtes dient also nur auf den ersten Blick dem Interesse des Schuldners. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Eine unmittelbare Titulierung führt nicht nur zu einer höheren Vergütung des Rechtsdienstleisters, sondern daneben auch noch zu erheblichen Gebühren und Auslagen bei den Gerichten und Vollstreckungsorganen.
Kommt es am Ende doch zur gerichtlichen Auseinandersetzung – regelmäßig nur zur zeitlichen Verzögerung und ohne Beteiligung der Schuldner –, bleibt dies für die Beurteilung der Ausgangsprognose des Gläubigers zu seinem Vorgehen aus der allein maßgeblichen Ex-ante-Sicht unerheblich.
Rz. 155
Der Gesetzgeber hat mit den für den Rechtsanwalt nach dem RVG wie den Inkassodienstleister über § 13e RDG und § 254 BGB maßgeblichen Anrechnungsvorschriften einen hinreichenden Kostenausgleich hergestellt. Der Vorwurf, es würden unberechtigte Gebühren generiert oder Mehrkosten verursacht, entbehrt auch vor diesem Hintergrund jeder Berechtigung; nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass dem Gläubiger wie seinem Rechtsdienstleister die Generierung von Gebühren auf dem Papier nicht hilft, wenn der Schuldner (auch) diese nicht ausgleicht.