Rz. 156

In den amtsgerichtlichen Verfahren hatte die Gläubigerin jeweils geltend gemacht, dass in mehr als 50 % aller ihrer Beitreibungsfälle die vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur vorgerichtlichen Erledigung der Angelegenheit durch Zahlung oder entsprechende Zahlungsvereinbarungen erledigt werden. Dass es vor diesem Hintergrund eine vorgerichtliche Forderungseinziehung durch einen Rechtsdienstleister zweckmäßig ist, kann kaum in Frage gestellt werden. Diesen Vortrag haben die Amtsgerichte, obwohl er als zugestanden galt (§ 138 Abs. 3 ZPO) ignoriert. Bestreitet der Schuldner diese Tatsachenbehauptung oder vermag das Gericht ihr nicht zu folgen, muss eine Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten erfolgen. Eine eigene Sachkenntnis des Richters (§ 291 ZPO) ist nicht zu ersehen.

 

Rz. 157

Dass im konkreten Einzelfall eine gütliche Erledigung nicht gelingt, stellt die aus der Ex-ante-Sicht zu beurteilende generelle Zweckmäßigkeit, die auf den Einzelfall ohne entgegenstehende Anhaltspunkte zurückwirkt, nicht entgegen. Vielmehr müssten sichere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schuldner ohne Einschaltung des Gerichtes nicht zahlen wird. Allein der Umstand, dass er schweigt, begründet solche Ansatzpunkte nicht. Die Frage ist zu wiederholen: Ist es wirklich zu viel verlangt, dass ein Schuldner sich beim Gläubiger meldet und seine finanzielle Leistungs(un)fähigkeit mit diesem klärt?

 

Rz. 158

Wenn die eingangs genannten Amtsgerichte der vorgerichtlichen Beauftragung eines Rechtsdienstleisters nach erfolglosen Gläubigermahnungen die Zweckmäßigkeit absprechen, ist dies also nicht nur prozessual ohne die Darlegung der erforderlichen Sachkenntnis für die Beurteilung dieser Frage geschehen, sondern es wird erneut nur eine Behauptung aufgestellt, die durch nichts begründet ist, insbesondere nicht auf einem entsprechendem Einwand bzw. Sachvortrag des Schuldners gründet. Auf rechtstatsächliche Untersuchungen greifen die Amtsgerichte nicht zurück, die eine entsprechende Überzeugungsbildung begründen könnten. Der BGH kommt ersichtlich zu einem ganz anderen Ergebnis,[375] in der er Sphären der Verantwortlichkeit begründet.

[375] BGH v. 17.9.2015 – IX ZR 280/14, Rn 9 – zitiert nach juris.

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