Rz. 453
Die Frage, ob die bei der Beitreibung notleidender Forderungen nach dem Forderungskauf durch einen Inkassodienstleister entstandenen Kosten vom Schuldner zu ersetzen sind, ist bisher keiner vertiefenden Untersuchung unterzogen worden. Sie ist dahin zu beantworten, dass der Neugläubiger die Inkassokosten in gleicher Weise erstattet verlangen kann, wie der Ursprungsgläubiger. Weder rechtlich noch in der Sache gibt es eine Grundlage für eine diesbezügliche Beschränkung. Es entspricht dem Wirtschaftskreislauf, dass es Produzenten und einen oder mehrere Händler gibt und jeder Zwischen- und Endhändler für seinen zusätzlichen Aufwand eine Vergütung erhält. Wenn also der Ursprungsgläubiger die Rechtsverfolgung nicht betreibt, sondern ein Dritter, dann stehen dem Dritten auch die Rechtsverfolgungskosten zu. Der Forderungskauf kann nur keine Grundlage für die Geltendmachung von Mehrkosten oder eine Verdoppelung der Rechtsverfolgungskosten sein. Letztlich bleibt es beim Grundgedanken des § 13e RDG. Es können die Rechtsverfolgungskosten verlangt werden, die erstattungsfähig wären, wenn der Ursprungsgläubiger die Forderungseinziehung mit einem von ihm beauftragten Rechtsdienstleister selbst durchgeführt hätte. Der Schuldner wird dadurch nicht benachteiligt. Er kann seine Pflichtverletzung durch Nichtleistung jederzeit durch den Forderungsausgleich beenden, so dass keine weiteren Rechtsverfolgungskosten entstehen.
Rz. 454
Jäckle meinte in seinen frühen Veröffentlichungen in zwei Absätzen, dass die Frage der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten hier nicht berührt sei. Dabei unterstellt er, dass es sich lediglich um Einzelfälle handelt. Auch handele es sich lediglich um ältere Forderungen, bei denen Vollstreckungsversuche ohne Erfolg geblieben sind, so dass der Gläubiger von ihrer Realisierung nicht mehr ausgehen könne. Es sei jedem Gläubiger unbenommen, so zu verfahren, wobei auch der Verkaufspreis seiner freien Wahl unterliege. Der Kaufpreis sei aber nicht als Aufwendung zu verstehen und stelle schon gar keinen Verzugsschaden dar.
Rz. 455
Die Grundannahme von Jäckle stimmt mit der heutigen Verfahrensweise im modernen Wirtschaftsleben nicht mehr überein. Notleidende Forderungen werden in allen Zeitphasen des Forderungseinzuges, d.h. unmittelbar nach der verzugsbegründenden Mahnung bis hin zur titulierten und vollstreckten Forderung, ver- und gekauft und nicht nur, wenn der Gläubiger selbst von einer Realisierung nicht mehr ausgeht. Insoweit haben die tatsächlichen Entwicklungen im modernen Wirtschaftsleben die Ausführungen von Jäckle überholt. Die jeweilige Realisierungschance für den Käufer drückt sich allein im Kaufpreis aus. Nicht selten werden auch ganze Forderungspakete verkauft, die Forderungen in allen Stadien beinhalten.
Rz. 456
Die eigentliche Frage, ob sich aber die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Nennwert der Forderung als ersatzfähiger Verzugsschaden darstellt, beantwortet Jäckle ebenso wenig wie die Frage, ob die für die Beitreibung der Forderung erforderlichen Aufwendungen bei dem Forderungskäufer als Verzugsschaden erstattungsfähig sind.
Rz. 457
Dass der Kaufpreis für den Gläubiger keine erstattungsfähige Aufwendung darstellt, versteht sich von selbst. Insoweit erhält er ja eine wirtschaftliche Befriedigung auf seine Forderung. Der Abschlag auf den Nennwert der Forderungen begründet die Übernahme des Realisierungsrisikos durch den Neugläubiger und Käufer.
Rz. 458
Der Käufer erwirbt zunächst die gesamte Forderung und kann diese als neuer Rechtsinhaber auch in voller Höhe vom Schuldner verlangen und entsprechende Einziehungsmaßnahmen veranlassen. Soweit ihm neben der Forderung auch der bisherige Verzugsschaden des Altgläubigers abgetreten wurde, kann der Forderungskäufer auch diesen bereits eingetretenen Schaden geltend machen. Aufgrund des fortbestehenden Verzuges des Schuldners, der durch den Verkauf der Forderung nicht berührt wird, kann sodann der Forderungskäufer auch die Kosten seiner weiteren Bemühungen um die Forderungseinziehung als Verzugsschaden geltend machen. Der Käufer erwirbt eine verzugsbegründend gemahnte Forderung. Durch den Verkauf der Forderung ändert sich dieser Rechtscharakter nicht. Dabei bleibt nach den vorstehenden Ausführungen unerheblich, ob er diese Bemühungen selbst leistet, ein konzernverbundenes oder einen unabhängigen Inkassodienstleister einschaltet oder die Forderung einem Rechtsanwalt zum Einzug übergibt. Die in der weiteren Forderungseinziehung liegende Wertschöpfung des Rechtsdienstleisters beruht nicht auf der Frage, in welchem Verhältnis er zu dem Gläubiger steht, sondern allein auf der fortgesetzten Pflichtverletzung des Schuldners.
Rz. 459
Hinweis
Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Forderung in einem Stadium verkauft wird, in dem der Altgläubiger seine Eigenobliegenheiten noch nicht erfüllt hat. In diesem Fall kommt eine Erstattung der weiteren Inkassokosten nur und nur insoweit in Betracht, wie der Neugläubiger (zunächst) diese Eigenobliegenheit...