Rz. 382
Eine weitere Differenzierung in den Handlungsmöglichkeiten zeigt sich zwischen Gläubiger, Inkassodienstleister und Rechtsanwalt sodann in dem Fall, in dem die Forderung mit gerichtlicher Hilfe tituliert werden muss. Hier ist dem Inkassodienstleister bisher und weiterhin eine Tätigkeit im streitigen Erkenntnisverfahren, untersagt, während beide Rechtsdienstleister im gerichtlichen Mahnverfahren tätig werden können, § 79 Abs. 2 S. 1 und Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO.
Rz. 383
In der Instanzrechtsprechung zeigt sich immer wieder der Vorwurf an den Gläubiger, wenn es tatsächlich zum streitigen Erkenntnisverfahren gekommen ist, er habe gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn der vorgerichtliche Forderungseinzug eines Inkassodienstleisters erfolglos geblieben ist und nach einem vom Inkassodienstleister oder dem Rechtsanwalt durchgeführten gerichtlichen Mahnverfahren auch noch ein streitiges gerichtliches Erkenntnisverfahren anhängig wird. Dem entzieht § 13f S. 3 RDG nun die Grundlage.
Rz. 384
Hinweis
Rückfragen bei Inkassodienstleistern ergeben, dass die Zahl der auf ein gerichtliches Mahnverfahren über Widerspruch und Einspruch folgenden streitigen Verfahren im unteren einstelligen Prozentbereich aller von Inkassodienstleitern bearbeiteten Forderungsmandaten liegt. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass Inkassodienstleister grundsätzlich auf den Einzug unstreitiger Forderungen konzentriert sind, was nicht ausschließt, dass sich im Laufe des Verfahrens auch einmal eine Forderung als streitig – aber gleichwohl begründet – erweist oder der Schuldner schlicht die Titulierung weiter verzögern will. Bei hoch belasteten Gerichten kann dieser Zeitgewinn schnell mehrere Monate, ein Jahr oder sogar mehr betragen.
Rz. 385
In diesen Fällen ist es rechtlich nicht begründet und auch sachlich nicht gerechtfertigt, dem Gläubiger als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorzuwerfen, er habe nicht unmittelbar einen Rechtsanwalt beauftragt. Der Fehler der Instanzgerichte liegt darin, dass eine Ex-post-Betrachtung angestellt wird, die nicht maßgeblich ist. Der Gläubiger kann nur berücksichtigen, was er im Zweitpunkt der Beauftragung des Rechtsdienstleisters absehen kann. Es ist vom Schuldner zu verantworten, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt seine Einreden und Einwendungen gegenüber dem Gläubiger noch nicht vorgebracht hat. Aus Sicht des Gläubigers handelt es sich aus der allein maßgeblichen ex-amte-Sicht im Zeitpunkt der Beauftragung um eine unstreitige Forderung, so dass er erwarten konnte, dass die sachgerechte Ansprache durch den Inkassodienstleister schon vorgerichtlich zu einem zumindest ratenweisen oder teilweisen Forderungsausgleich führt oder aber sich die Forderung durch den Inkassodienstleister im gerichtlichen Mahnverfahren titulieren und in der Mobiliarzwangsvollstreckung durchsetzen lässt.
Diese Auffassung, die in der zweiten Auflage dieses Werkes ausführlich begründet wurde, liegt dem seit dem 1.10.2021 geltenden § 13f S. 3 RDG zugrunde. Ist die Forderung im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsdienstleisters unbestritten oder in einer Weise bestritten, dass erwartet werden kann, dass der Schuldner seine Einwendung wird fallen lassen, steht es dem Gläubiger frei, welchen Rechtsdienstleister er beauftragt.
Hinweis
Eine Forderung ist in einer Weise bestritten, dass erwartet werden kann, dass der Schuldner seine Einwendung wird fallen lassen, wenn er etwa die Erfüllung einwendet und auf eine Zahlung verweist, die nachweisbar auf eine andere Forderung erfolgt ist. Hier kann erwartet werden, dass nach Vorlage der beiden Rechnungen und des einen Zahlungsbeleges, der Schuldner seine Einwendung in Form des Erfüllungsaufwandes nach § 362 BGB aufgibt.
Rz. 386
Nach § 13f S. 3 RDG ist für die Frage, ob die Inkassokosten neben den Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig sind, wenn der Rechtsanwalt nach einem Widerspruch oder Einspruch im gerichtlichen Mahnverfahren das streitige Erkenntnisverfahren betreibt, zu unterscheiden, wann der Schuldner seine Einreden oder Einwendungen erhoben hat. Hat der Schuldner die Forderung erst nach der Beauftragung des Inkassodienstleister erstmals bestritten, muss er die Kosten beider Rechtsdienstleister tragen, d.h. auch die dadurch entstandenen Mehrkosten.
Rz. 387
Es ist aber auch zu sehen, dass die Mehrkosten überschaubar sind. Wäre der Rechtsanwalt durchgängig tätig gewesen, so hätte er sich die nach Anrechnung der Geschäftsgebühr verbleibende Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG im gerichtlichen Verfahren anrechnen lassen müssen. Je nach vorgerichtlicher Geschäftsgebühr handelt es sich (nur) um eine 0,35 bis. 0,55-Verfahrensgebühr (1,0 – 0,65 oder 1,0 – 0,45). Diese Anrechnung hat nun nach § 13f S. 3 RDG zu unterbleiben. Das gilt dann auch für den Fall, dass im gerichtlichen Mahnverfahren bereits eine Terminsgebühr bei dem Inkassodienstleister nach Vorbem. 3.3.2 i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 i.V.m. 3104 VV RVG angefallen wä...