Rz. 434
Die kostenrechtliche Betrachtung des Konzerninkassos ist von verschiedenen Sichtweisen geprägt, die sich weniger an der gesetzlichen Regelung als vielmehr an emotionalen oder wirtschaftlichen Aspekten orientieren. Zum Teil wird aus Schuldnersicht als Zweck der Ausgliederung von Mahn- und Forderungsabteilungen allein das Streben nach einem rechtswidrigen Vermögensvorteil bzw. dem künstlichen Schaffen von Schadenspositionen gesehen. Vorgeworfen wird eine Form der "Vetternwirtschaft". Eher den Gläubigern zugeneigte Autoren sehen darin eine betriebswirtschaftlich gebotene und rechtlich zulässige Organisationsmaßnahme. In diesem Kontext ist auch die Frage nach der Freiheit der Unternehmensorganisation zu sehen.
Rz. 435
Nach der hier vertretenen Auffassung kann es auf die Frage der Organisationsform des Forderungsinkassos nicht ankommen. Entscheidend ist, ob sich der Gläubiger einer ihm obliegenden und seiner Sphäre zuzuordnenden Tätigkeit im Forderungsmanagement zu Lasten des Schuldners entziehen will. Als Beispiele könnten hier etwa die Rechnungsstellung oder die verzugsbegründende Erstmahnung genannt werden. In diesem Fall kommt eine Erstattung der Kosten nicht in Betracht, weil diese Tätigkeiten dem Gläubiger als Eigenobliegenheit zuzuweisen sind. Sie sind Teil der Anspruchsermittlung und der ersten Geltendmachung. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gläubiger die Debitorenverwaltung in einer eigenen Mahn- und Inkassoabteilung durchführt, damit einen konzerngebundenen Inkassodienstleister, einen juristisch und wirtschaftlich fremden Inkassodienstleister oder einen Rechtsanwalt beauftragt.
Ist nach der heutigen Verkehrsanschauung dagegen davon auszugehen, dass der Gläubiger nach Eintritt des Verzuges berechtigt ist, einen Dritten mit der Wahrnehmung seiner Interessen und damit dem weiteren Forderungsinkasso zu beauftragen, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der damit verbundenen Kosten. Es kann rechtlich für den dem Grunde nach aus §§ 280, 286 BGB bestehenden Anspruch nicht von Belang sein, in welcher Form, insbesondere von wem diese weitere – aus Sicht des Gläubigers überobligatorische – Tätigkeit erledigt wird. Entscheidend ist also, ob die im echten Konzerninkasso geltend gemachten Inkassokosten einem Drittvergleich standhalten, letztlich also nach Maßgabe des § 13e RDG nicht höher sind als wenn ein konzernfremder Rechtsdienstleister beauftragt worden wäre. Wenn der Gläubiger berechtigt ist, einen beliebigen Dritten mit der Einziehung der Forderung gegen Erstattung der Rechtsverfolgungskosten zu beauftragen, steht sich der Schuldner nicht schlechter, wenn der Gläubiger die konzerneigene Inkassogesellschaft beauftragt. Eine Inkassogesellschaft als verbundenes Unternehmen zu gründen, zu führen und zu unterhalten und die darin liegende Wertschöpfung zu nutzen, ist Teil der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit. Um schadensrechtlich den Drittvergleich zu aktivieren, kann allenfalls verlangt werden, dass der konzerngebundene Inkassodienstleister nicht nur für Unternehmen des Konzerns, sondern eben auch für Dritte tätig ist.
Dabei ist zu sehen, dass der BGH auch in einfachen Fällen nach Verzugseintritt die Befugnis anerkannt hat, einen Rechtsdienstleister zu beauftragen.
Hinweis
In Anbetracht eines solchen Drittvergleiches beurteilt sich dann auch das Argument, ob "künstlich" höhere Inkassokosten verursacht werden. Höhere Kosten werden nur verursacht, wenn ein anderer Rechtsdienstleister keinen Erstattungsanspruch gleicher oder höherer Art verursachen würde. Der Schuldner würde nichts gewinnen, wenn die konzerneigenen Unternehmen die Erbringung von Rechts- und Inkassodienstleistungen zukünftig an konzernfremde Unternehmen – möglicherweise noch im "Tausch" zwischen den betroffenen Unternehmen – vergeben würden. Insoweit trägt nach der hier vertretenen Auffassung zwar das Argument nicht, dass es sich bei dem konzernangehörigen Ursprungsgläubiger und dem konzernangehörigen Inkassodienstleister um selbständige juristische Personen handelt, weil diese Betrachtungsweise mit den §§ 15 ff. AktG gerade durchbrochen wird. Allerdings wirkt sich diese "Aufspaltung" nicht aus, wenn dadurch im Marktvergleich kein Nachteil entsteht. Der Vorwurf der "höheren" Kosten ist also das entscheidende Argument, was einer Untersuchung bedarf und als Ergebnis einer solchen Prüfung gerade nicht trägt, weil keine höheren Kosten entstehen.
Rz. 436
Anders ausgedrückt: Der Schuldner, der seiner vertraglichen Leistungspflicht nicht nachgekommen ist, hat gegenüber dem Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass der Gläubiger seine ihm vertraglich nicht mehr obliegenden Leistungen in einer ganz bestimmten Art und Weise organisiert. Es erscheint weder sachgerecht noch im Einklang mit den maßgeblichen Anspruchsgrundlagen der §§ 280, 286 BGB zu stehen, wenn hier mit Zumutbarkeitserwägungen argumentiert wird. Es ist der Schuldner, der seine Pflichten verletzt hat. Es ist also nicht die Fra...