Rz. 71

Der Mehrvertretungszuschlag fällt auf alle Verfahrens- und Geschäftsgebühren an. Es erhöhen sich also die Geschäftsgebühren

für die Vertretung in außergerichtlichen Angelegenheiten nach Nr. 2300 VV RVG,
für einfache Schreiben nach Nr. 2301 VV RVG,
für Verfahren vor Schiedsstellen nach Nr. 2303 VV RVG oder
die Geschäftsgebühr im Beratungshilfemandat nach Nr. 2503 VV RVG.

Verfahrensgebühren im

gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG für die erste Instanz sowie
Nr. 3200 und 3206 VV RVG für die weiteren Instanzen

werden auch bei der Erhöhung berücksichtigt. Die sollte sogar dann gelten, wenn sich die Gebühr wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrages ermäßigt.

Auch die Verfahrensgebühren

im Mahnverfahren, Nr. 3305, 3307 und 3308 VV RVG,
die Tätigkeit eines Unterbevollmächtigen oder Terminsvertreters nach Nr. 3401 VV RVG,
die Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung und Zwangsverwaltung, Nr. 3309 und 3311 VV RVG,
die Tätigkeit der Vertretung von Schuldnern oder Gläubigern im Insolvenzverfahren, Nr. 3313 ff. VV RVG,
die Tätigkeit im Aufgebotsverfahren, Nr. 3324 VV RVG oder
die Tätigkeit im Rahmen der Gehörsrüge, Nr. 3330 VV RVG,

sind Grundlage der Berechnung der Mehrvertretungsgebühr.

Nicht erhöht werden andere Gebühren, wie Terminsgebühren oder die Einigungsgebühr.

 

Rz. 72

Der Mehrvertretungszuschlag beträgt ab dem zweiten Auftraggeber 0,3 Gebühren. Als Höchstbetrag sind jedoch 2,0 Gebühren zu zahlen. Die Höhe des Zuschlages richtet sich nicht nach der Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr. So kann bei mehreren Auftraggebern auch die ungeliebte Zwangsvollstreckung schnell an Attraktivität für den Rechtsanwalt gewinnen. Es empfiehlt sich, in der Abrechnung den Mehrvertretungszuschlag gesondert auszuweisen und nicht einfach die betreffende Gebühr um 0,3 zu erhöhen. Dies dient der Übersichtlichkeit der Abrechnung und genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abrechnung nach § 10 Abs. 2 RVG.

 

Rz. 73

Eine Mehrvertretungsgebühr kann insbesondere abgerechnet werden, wenn mehrere Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft in einer Beschlussanfechtungssache vertreten werden. Dann müssen diese aber als Anfechtende auftreten. Bis zur WEG-Reform 2020 entstanden auch für die Vertretung der WEG als Anfechtungsgegner Mehrvertretungsgebühren.[95] Im Rahmen der Erstattung dieser Kosten waren vorrangig die Kosten des durch den WEG-Verwalter im Namen der Eigentümer beauftragten Rechtsanwalts zu berücksichtigen.[96]

Mit der WEG-Reform 2020 ist die Beschlussanfechtungsklage aber wegen § 44 Abs. 2 WEG gegen die teilrechtfähige WEG zu richten. Diese stellt nur eine Partei dar. Es ist kein Raum mehr für eine Mehrvertretungsgebühr.

Erhebt der Rechtsanwalt in derselben Beschlussanfechtungssache für jeden anfechtenden WEG-Gemeinschafter gesondert Klage, so sind die Kosten für die Weiteren über die Mehrvertretungsgebühr hinaus nicht erstattungsfähig.[97] Gleiches gilt für die Vertretung der Gesellschafter einer GbR. Soweit diese durch die einzelnen Mitglieder der Gesamthandsgemeinschaft agiert, löst dies eine Mehrvertretungsgebühr aus. Erstattungsfähig sind diese erhöhten Gebühren allerdings nicht, wenn die GbR als solche rechtsfähig ist und in dem Rechtsstreit auch als GbR allein hätte agieren können.[98]

 

Rz. 74

Der Mehrvertretungszuschlag soll nach Auffassung des Gesetzgebers die jeweilige Gebühr lediglich erhöhen. Kommt es zu einer Anrechnung der jeweiligen Gebühr auf eine andere Gebühr, so ist die gesamte Gebühr – also einschließlich der Mehrvertretungsgebühr – anzurechnen.[99]

 

Beispiel:

Der Rechtsanwalt vertritt zwei Mieter bei der Verteidigung gegen eine Mietforderung in Höhe von 1.000,00 EUR vorgerichtlich und im anschließenden Klageverfahren.

 
vorgerichtlich Gegenstandswert: 1.000,00 EUR  
1,3 Geschäftsgebühr, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV 114,40 EUR
0,3 Mehrvertretungsgebühr, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 1008 VV. 26,40 EUR
Zwischensumme (1,6 Gebühren): 140,80 EUR
Post- und Telekommunikationsgebühr, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  160,80 EUR
zzgl. 19 % Umsatzsteuer, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 7008 VV 30,55 EUR
Summe vorgerichtlich 191,35 EUR
gerichtlich Gegenstandswert: 1.000,00 EUR  
1,3 Verfahrensgebühr, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3100 VV 114,40 EUR
0,3 Mehrvertretungsgebühr, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 1008 VV. 26,40 EUR
Zwischensumme (1,6 Gebühren): 140,80 EUR
./. 0,75 Anrechnung Geschäftsgebühr (1/2 aus 1,6 – max. 0,75) – 66,00 EUR
1,2 Terminsgebühr, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3100 VV 105,60 EUR
Post- und Telekommunikationsgebühr gem. Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  200,40 EUR
zzgl. 19 % Umsatzsteuer, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 7008 VV 38,08 EUR
Summe gerichtlich 238,48 EUR
[95] BGH, Beschl. v. 15.9.2011 – V ZB 39/11, www.bundesgerichtshof.de, seit dem 1.12.2020 gilt § 44 Abs. 2 WEG für die Vertretung der WEG.
[96] BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – V ZB 11/09, www.bundesgerichtshof.de.
[97] BGH, Beschl. v. 8.7.2010 – V ZB 153/09, www.bundesgerichtshof.de.
[98] BGH, Beschl. v. 5.1.2004 – II ZB 22/02, www.bundesgerichtshof.de.
[99] BT-Drucks 17/11471 (neu)...

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