Rz. 205
Die Neuregelung des § 715b BGB hat folgenden Wortlaut:
(1) Jeder Gesellschafter ist befugt, einen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, wenn der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt. Die Befugnis nach Satz 1 erstreckt sich auch auf einen Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten, wenn dieser an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder es kannte.
(2) Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche das Klagerecht ausschließt oder dieser Vorschrift zuwider beschränkt, ist unwirksam.
(3) Der klagende Gesellschafter hat die Gesellschaft unverzüglich über die Erhebung der Klage und die Lage des Rechtsstreits zu unterrichten. Ferner hat er das Gericht über die erfolgte Unterrichtung in Kenntnis zu setzen. Das Gericht hat auf eine unverzügliche Unterrichtung der Gesellschaft hinzuwirken.
(4) Soweit über den Anspruch durch rechtskräftiges Urteil entschieden worden ist, wirkt die Entscheidung für und gegen die Gesellschaft.
a) Ratio legis
Rz. 206
§ 715b BGB zielt auf eine gesetzliche Verankerung der als solche bereits bisher anerkannten Rechtsfigur der actio pro socio (Gesellschafterklage), die dem Individualschutz dient und infolgedessen auch unverzichtbar ist, im Gesetz. Zugleich werden die in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen (der bislang getrennt eingeordneten) "Einzelklagerechte des Gesellschafters für die Geltendmachung von Sozial- und Drittansprüchen zu einem einheitlichen Institut" zusammengefasst.
Rz. 207
Die Gesellschafterklage hat eine minderheitenschützende Funktion und ist als Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft zu verstehen.
Gesellschafterklage (§ 715b BGB) wie Notgeschäftsführungsbefugnis (§ 715a BGB) statuieren als subsidiäre Institute (als sie jeweils die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis durchbrechen) im Außenverhältnis zwar keine Vertretungsbefugnis – aber "im Innenverhältnis die Befugnis, (außer-) gerichtlich gegen Mitgesellschafter oder Dritte vorzugehen und einen Anspruch der Gesellschaft im eigenen Namen geltend zu machen". Das Recht zur Notgeschäftsführung und das Einzelklagerecht des Gesellschafters (actio pro socio) schließen sich – aufgrund unterschiedlicher tatbestandsmäßiger Vorgaben – gegenseitig nicht aus.
b) Voraussetzungen einer Gesellschafterklage
Rz. 208
Jeder Gesellschafter ist (während der Dauer seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft, d.h. ein aktueller, nicht ein ausgeschiedener Gesellschafter) nach § 715b Abs. 1 S. 1 BGB befugt, einen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen (auf Leistung an die Gesellschaft) gerichtlich geltend zu machen, wenn der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt. Diese Befugnis erstreckt sich gemäß § 715b Abs. 1 S. 2 BGB auch auf einen Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten, wenn dieser an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder es kannte.
aa) Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter
Rz. 209
§ 715b Abs. 1 BGB differenziert in Bezug auf die Voraussetzungen zwischen der Geltendmachung
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von Sozialansprüchen (in Abs. 1 S. 1), bspw. einem Anspruch der GbR gegen den Gesellschafter auf Erbringung des Beitrags oder einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den geschäftsführungsbefugten Gesellschafter wegen Verletzung seiner Geschäftsführungspflichten) und |
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Drittansprüchen (in Abs. 1 S. 2). |
Rz. 210
Eine Gesellschafterklage ist nur subsidiär – d.h. wenn sie aus besonderen Gründen nicht mit der primären Geschäftsführungs- und Vertretungsordnung kollidiert, weil die eigentlich dafür zuständigen Geschäftsführer pflichtwidrig untätig bleiben – zulässig. Im Falle, dass ein pflichtwidriges Unterlassen auf einem Gesellschafterbeschluss beruht, dürfen die besonderen Voraussetzungen einer Beschlussmängelklage (unabhängig davon, ob sie sich wie bei der GbR aus dem Gesellschaftsvertrag [opt-in-Lösung] oder wie bei OHG bzw. KG aus dem Gesetz, ergeben, vgl. zum neuen personenhandelsgesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrecht die §§ 109 ff. HGB) nicht unterlaufen werden. Das heißt, es muss zuerst gegen diesen Beschluss vorgegangen werden, wobei aus Gründen der Prozessökonomie eine Verbindung von Beschlussmängel- und Gesellschafterklage möglich ist. Aus Gründen der Prozessökonomie kann aber auch eine Beschlussmängel- und eine G...