Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 185
→ Dazu Aufgaben Gruppe 4
Die Prozessvollmacht, deren Umfang in § 81 ZPO gesetzlich geregelt ist, ermächtigt den RA nur zur Empfangnahme der vom unterlegenen Gegner oder aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten. Zur Empfangnahme von anderem Geld benötigt der RA neben der gewöhnlichen Prozessvollmacht des § 81 ZPO eine besondere Vollmacht, eine Geldempfangsvollmacht. Der Mandant muss also dem RA einen besonderen Auftrag zur Entgegennahme der Streitsumme erteilt haben.
Rz. 186
Für die Weiterleitung von baren oder unbaren Zahlungen erhält der RA eine Hebegebühr (Verwahrungsgebühr) zusätzlich zu den für seine sonstige Tätigkeit entstandenen Gebühren. Die Hebegebühr wird nicht aus der Tabelle des § 13 Abs. 1 RVG abgelesen, sondern gemäß Nr. 1009 VV RVG berechnet.
Die Hebegebühr lässt sich nach folgender Tabelle berechnen:
Tabelle 1: Berechnung der Hebegebühr
bei Beträgen |
% |
also |
bis zu 2.500,00 EUR |
1,00 |
1 % des Betrages |
(→ somit höchstens 25,00 EUR) |
bis zu 10.000,00 EUR |
0,50 |
0,5 % des 2.500,00 EUR übersteigenden Betrages |
|
|
+ 25,00 EUR |
(→ somit höchstens 37,50 EUR + 25,00 EUR) |
über 10.000,00 EUR |
0,25 |
0,25 % des 10.000,00 EUR übersteigenden Betrages + 25,00 EUR + 37,50 EUR |
Beispiel der Berechnung gemäß Tabelle 1:
Weiterzuleiten ist ein Betrag von 23.000,00 EUR. Der 10.000,00 EUR übersteigende Betrag ist 13.000,00 EUR. Wir rechnen: 13.000,00 EUR x 0,25 : 100 = 32,50 EUR. Wir addieren: 32,50 EUR + 25,00 EUR + 37,50 EUR = 95,00 EUR.
Es gibt auch noch eine zweite, elegantere Möglichkeit zur Berechnung der Hebegebühr, die auch Schnellrechnung genannt wird. Sie sollten sich aber auf eine von beiden Methoden festlegen, um Verwirrungen zu vermeiden.
Tabelle 2: Berechnung der Hebegebühr (Schnellrechnung)
bei Beträgen |
% |
also |
bis zu 2.500,00 EUR |
1,00 |
1 % des Betrages |
bis zu 10.000,00 EUR |
0,50 |
0,5 % des Gesamtbetrages + 12,50 EUR |
über 10.000,00 EUR |
0,25 |
0,25 % des Gesamtbetrages + 37,50 EUR |
Beispiel der Berechnung gemäß Tabelle 2:
Weiterzuleiten ist ein Betrag von 23.000,00 EUR. Wir rechnen: 23.000,00 EUR x 0,25 : 100 = 57,50 EUR. Wir addieren: 57,50 EUR + 37,50 EUR = 95,00 EUR. Die entsprechende Vergütungsrechnung lautet:
Gegenstandswert: 23.000,00 EUR
Rz. 187
Die Mindestgebühr der Hebegebühr beträgt 1,00 EUR (Nr. 1009 VV RVG, Randspalte), also abweichend von § 13 Abs. 2 RVG. Denken Sie auch bei der Hebegebühr an die Berechnung der Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG).
Rz. 188
Wie bei allen Gebühren können zur Hebegebühr noch Auslagen für Post- und Telekommunikationsentgelte (Nr. 7002 VV RVG) hinzugerechnet werden. Wenn Sie die Auslagenpauschale berechnen, müssen Sie allerdings darauf achten, ob Sie in der betreffenden Angelegenheit bereits eine Auslagenpauschale in Rechnung gestellt haben, da diese in Zivilsachen in einer Angelegenheit nur einmal in Höhe von 20,00 EUR entstehen kann. Wenn die 20,00 EUR bereits erreicht sind, darf auf die Hebegebühr keine zusätzliche Auslagenpauschale mehr verlangt werden. Dies ist durch die Vorbemerkung 1 zu VV RVG so geregelt, da die Hebegebühr neben den anderen Gebühren (Verfahrens- oder Geschäftsgebühr) entsteht, also jeweils zu einer Angelegenheit dazugehört. Die Weiterleitung von Geld stellt demzufolge in der Regel keine eigene Angelegenheit dar.
Beispiel:
Auftrag zur außergerichtlichen Beitreibung einer Forderung. Zusätzlich zu der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG wurde eine Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte von 16,30 EUR berechnet. Dann dürfen für die Hebegebühr noch höchstens 3,70 EUR als zusätzliche Auslagenpauschale angesetzt werden, da die Geschäftsgebühr und die Hebegebühr zu einer einzigen Angelegenheit gehören.
Rz. 189
Der RA kann die Hebegebühr erst bei der Ablieferung der Zahlung an den Auftraggeber entnehmen (Nr. 1009 Anm. Abs. 1 VV RVG), d. h., er darf dann die Hebegebühr von dem weiterzuleitenden Geldbetrag abziehen (Nr. 1009 Anm. Abs. 2 S. 2 VV RVG). Wird das Geld vom RA nur empfangen, aber noch nicht weitergeleitet, dann darf eine Hebegebühr noch nicht berechnet werden. Wird eine Geldsumme in Teilbeträgen ausgezahlt, so wird die Gebühr von jedem Teilbetrag gesondert erhoben (Nr. 1009 Anm. Abs. 3 VV RVG), bei Ratenzahlungen des Gegners jedoch nicht, wenn der RA alle empfangenen Teilbeträge auf einmal an seinen Mandanten auszahlt.
Hinweis:
Die Hebegebühr darf nach Nr. 1009 Anm. Abs. 2 S. 1 VV RVG nur bei Ablieferung des Geldes an den Auftraggeber entnommen werden, nicht aber bei Zahlungen an Dritte.
Rz. 190
Der RA erhält keine Hebegebühr (Nr. 1009 Anm. Abs. 5 VV RVG), wenn er
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Gerichtskosten, z. B. als Vorschuss, einzahlt, |
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vom Gegner eingezogene Kosten an den Mandanten weiterleitet, |
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erhaltene Gelder auf die ihm zustehende Vergütung verrechnet. |
In der Praxis wird von den Rechtsanwälten übrigens h...