Rz. 35
Im erbrechtlichen Mandat kommt es in der Praxis häufig vor, dass der Rechtsanwalt seine Tätigkeit außerhalb der Kanzlei ausübt, z.B. bei dem Mandanten zu Hause oder einem vermittelnden Dritten. Wenn der Abschluss der Vergütungsvereinbarung in den Privaträumen des Mandanten oder per Telefon, Fax oder E-Mail mit dem Mandanten erfolgt, muss der Rechtsanwalt das gesetzliche Widerrufsrecht des erbrechtlichen Mandanten beachten.
Wird dem Verbraucher nach § 355 Abs. 1 S. 1 BGB durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Die Widerrufsfrist beträgt in der Regel nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB 14 Tage, sofern der Rechtsanwalt dem Mandanten hinreichend über das gesetzliche Widerrufsrecht belehrt hat.
Rz. 36
Die Anforderungen, die der Rechtsanwalt für die Widerrufsbelehrung zu berücksichtigen hat, regelt § 356 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach die Widerrufsfrist nicht beginnt, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder des Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB unterrichtet hat. Den Rechtsanwalt treffen daher Informationspflichten, vgl. § 312d BGB. Im Weiteren muss der Verbraucher ein Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 EGBGB, § 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB erhalten.
Fehlt es an einer Widerrufsbelehrung, die nicht den Anforderungen von § 356 Abs. 3 S. 1 BGB entspricht, wird die Widerrufsfrist verlängert. Nach § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 356 Abs. 2 BGB oder § 355 Abs. 2 S. 2 BGB genannten Zeitpunkt.
Rz. 37
Damit der Rechtsanwalt Planungssicherheit im Hinblick auf die Erlangung der anwaltlichen Vergütung hat, muss er den erbrechtlichen Mandanten hinreichend belehrt haben. Sonst besteht die Gefahr, dass der Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch in voller Höhe verliert. Sofern der Rechtsanwalt bereits vor dem Ablauf der Widerrufsfrist für den erbrechtlichen Mandanten tätig werden soll, bedarf es zusätzlich einer ausdrücklichen Erklärung des Mandanten, § 357 Abs. 8 S. 1 BGB.
Der Rechtsanwalt muss die Widerrufsbelehrung beachten, sofern ein Verbrauchervertrag zwischen Mandant und Rechtsanwalt vorliegt und dem Mandanten ein gesetzliches Widerrufsrecht zusteht.
a) Verbrauchervertrag
Rz. 38
Das Bestehen eines gesetzlichen Widerrufrechts setzt das Bestehen eines Verbrauchervertrages voraus. Ein Verbrauchervertrag liegt bei einem Vertragsschluss zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vor, § 310 Abs. 3 BGB.
Ein Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, § 13 BGB.
Ein Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, § 14 Abs. 1 BGB.
b) Gesetzliches Widerrufsrecht
Rz. 39
Liegt ein Verbrauchervertrag zwischen dem erbrechtlichen Mandanten und dem Rechtsanwalt vor, muss dem erbrechtlichen Mandanten als Verbraucher ein Widerrufsrecht zustehen. Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, § 312g Abs. 1 BGB.
aa) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
Rz. 40
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind nach § 312b Abs. 1 BGB Verträge,
Zitat
1. die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist, (...).
Geschäftsräume im Sinne des Abs. 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seiner Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt, § 312b Abs. 2 S. 1 BGB.
bb) Fernabsatzverträge
Rz. 41
Fernabsatzverträge sind nach § 312c Abs. 1 BGB Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien, § 312c Abs. 2 BGB.
Rz. 42
Bei dem Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten soll nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg das Recht über Fernabsatzverträge auf Rechtsanwaltsverträge keine Anwendung finden. Nach der Entscheidung des Gerichts...