Rz. 88
Bei der Frage nach einem überzeugenden System der Zeitaufzeichnung für den Mandanten muss der Rechtsanwalt im Einzelfall die Festlegung eines angemessenen Abrechnungsintervalls, die Angemessenheit des Stundensatzes sowie die hinreichende Dokumentation beachten.
Rz. 89
Zunächst sollte der Rechtsanwalt eine transparente Abrechnung mit dem Mandanten eine Zeiteinheit – Tage oder Stunden – festgelegen, nach der im Einzelfall abgerechnet werden soll. Bei einer Abrechnung nach Stunden sollte festgelegt werden, wie viele Minuten eine Stunde als Abrechnungseinheit besitzt und welche Zeiteinheit berechnet werden soll, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter einer Stunde liegt. In der Praxis wird hier in der Regel eine Abrechnung im Viertelstundentakt vorgenommen. Diese Abrechnungspraxis wird insbesondere in der unterinstanzlichen Rechtsprechung als eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten im Sinne von § 307 BGB gewertet, sofern es um eine formularmäßige Klausel geht. Die Abrechnung jeder angefangener Minuten eines Viertelstundentakts führt zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips von Leistung und Gegenleistung sowie zu einer eigensüchtigen Aufblähung des Zeitaufwands ohne Rücksicht auf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Hierzu führt das Oberlandesgericht Düsseldorf aus:
Zitat
"Die Zeittaktklausel (Nr. 1 Satz 2 Honorarvereinbarung) verstößt gegen § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB), weil sie strukturell geeignet ist, das dem Schuldrecht im Allgemeinen und dem Dienstvertragsrecht im Besonderen zugrunde liegende Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip) empfindlich zu verletzen, wodurch der Gegner des Formular-Verwenders (künftig Verwendungsgegner genannt) unangemessen benachteiligt wird."
Rz. 90
Der Bundesgerichtshof hat die Frage nach der Unangemessenheit einer solchen Klausel bis Februar 2020 offengelassen. Im Februar 2020 hat er entschieden, dass eine formularmäßig vereinbarte Fünfzehn-Minuten-Zeittaktklausel nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern unwirksam ist. Der Bundesgerichtshof begründet seine Entscheidung insbesondere damit, dass der Mandant beim Abschluss von anwaltlichen Vergütungsvereinbarungen typischerweise in besonderem Maße schutzbedürftig ist:
Zitat
"Bei dem Vertragsgegenstand der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten (§ 3 I BRAO) handelt es sich um eine immaterielle Leistung, deren Wert er kaum ermessen kann. Hinzu kommt die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Mandant und Rechtsanwalt hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Rechtssache sowie des zu ihrer sachgerechten und möglichst erfolgreichen Betreuung erforderlichen Aufwands. Wie viel Zeit der Rechtsanwalt tatsächlich aufwendet, sieht der Mandant nicht. Dem unredlichen Rechtsanwalt eröffnen sich umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten. Eine – auch formularmäßig vereinbarte – Abrechnung nach dem Zeitaufwand wird hierdurch zwar nicht ausgeschlossen. Der Senat hat die individualvertragliche Vereinbarung eines Stundenhonorars bisher für unbedenklich gehalten, wenn diese Honorarform unter Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls sachgerecht erschien und die geltend gemachte Bearbeitungszeit sowie der ausgehandelte Stundensatz angemessen erschien. Nichts anderes gilt im Grundsatz für die Vereinbarung eines Zeithonorars in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein Zeithonorar, welches zusätzlich eine Abrechnung nach mehr oder weniger großen Zeitintervallen vorsieht, führt jedoch zu einer noch größeren Gefährdung der Interessen des Mandanten."
Die Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Fünfzehn-Minuten-Zeittaktklausel lässt die Wirksamkeit der Vereinbarung des Zeithonorars unberührt, § 306 BGB, da das Zeithonorar und die Zeittaktklausel nicht untrennbar zusammenhängen. Insoweit ist die Abrechnung des tatsächlichen Aufwands nach dem vereinbarten Stundensatz ohne weiteres möglich, soweit der darlegungs- und beweisbelastete Rechtsanwalt nachweisen kann, dass die berechnete Vergütung tatsächlich entstanden ist.
Rz. 91
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich ausschließlich auf das Verbrauchermandat; der unternehmerische Verkehr wird hiervon zunächst ausgenommen. Dennoch dürfte es sich empfehlen, auch im unternehmerischen Rechtsverkehr zurückhaltend von einer Fünfzehn-Minuten-Zeittaktklausel Gebrauch zu machen. Der Bundesgerichtshof steht einer solchen Klausel aufgrund der Missbrauchsmöglichkeit, die unabhängig von der Frage einer Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft sein dürfte, kritisch gegenüber. Welche Zeittaktklausel der Bundesgerichtshof hingegen für wirksam hält, wird nicht beantwortet. Gängig dürfte eine Zeittaktklausel von sechs bzw. zehn Minuten oder eine minutengenaue Abrechnung sein.
Rz. 92
Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof entschieden:
Zitat
"Sieht eine Vergütungsvereinbarung ein Zeithonorar für Sekretariatstätigkeiten vo...