Rz. 61
Konnte in einem ersten Schritt die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung nach § 138 BGB nicht festgestellt werden, muss in einem zweiten Schritt gefragt werden, ob eine unter Umständen unangemessen hoch vereinbarte Vergütung nach § 3a Abs. 2 RVG herabgesetzt werden muss. Nach § 3a Abs. 2 S. 1 RVG kann eine unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch vereinbarte Vergütung, eine nach § 4 Abs. 3 S. 1 RVG von dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer festgesetzte oder eine nach § 4a RVG für den Erfolgsfall vereinbarte Vergütung, im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Vergütungsvereinbarung hat sich in der Rechtsprechung eine eigenständige Kaustik entwickelt, die versucht hat, dem Spannungsverhältnis zwischen der Vertragsfreiheit, der Bindung des Rechtsanwaltes als Organ der Rechtspflege und dem Mandantenschutz gerecht zu werden.
Rz. 62
Die Darlegungs- und Beweislast für die Unangemessenheit liegt grundsätzlich beim Auftraggeber. Wer behauptet, eine Honorarvereinbarung sei unangemessen, hat dies darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Nicht der Rechtsanwalt hat die Angemessenheit darzulegen, sondern der Mandant die Unangemessenheit. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist dem Mandanten bekannt, soweit es sich um Gespräche oder Telefonate mit dem Anwalt handelt. An diesen hat der Mandant teilgenommen. Der Umfang der Korrespondenz liegt dem Mandanten vor.
Rz. 63
Der Inhalt von Urkunden, auszuwertenden Akten oder Unterlagen ist dem Mandanten ebenso bekannt. Aus dem Umfang von Gerichts- oder Behördenakten, die dem Gericht jedenfalls vorliegen, lässt sich der Zeitbedarf für das Aktenstudium ermessen. Die Dauer von Terminen bei Gerichten oder Behörden sowie von Besprechungen mit Dritten lässt sich ebenso für den Mandanten feststellen. So ist es dem Mandanten im Wesentlichen bekannt, wie sich die anwaltliche Tätigkeit zusammensetzt. Deshalb bedarf es keiner Beweislast zulasten des Anwalts.
Rz. 64
Eine allgemeine Definition für den unbestimmten Rechtsbegriff der "unangemessenen" hohen Vergütung existiert nicht. Die Bestimmung erfolgt wie bei der Sittenwidrigkeit anhand des Einzelfalls. Dabei soll die vereinbarte Vergütung als unangemessen hoch angesehen werden, wenn sie die angemessene Vergütung nicht nur gering überschreitet, vielmehr muss zwischen der Vergütung und der Tätigkeit des Rechtsanwalts ein nicht zu überbrückender Zwiespalt bestehen, der für den Auftraggeber derart unerträglich ist, dass er an der Vergütungsvereinbarung nicht mehr festgehalten werden kann.
Rz. 65
Anhand welcher Kriterien die Angemessenheit bestimmt wird, kann ebenfalls nicht allgemeingültig beantwortet werden. Als Anknüpfungspunkte kommen die gesetzliche Vergütung, die Bemessungskriterien von § 14 RVG oder auch allgemeine Billigkeitserwägungen von § 242 BGB in Betracht. Zunächst bietet sich eine Orientierung an der Quotientenrechtsprechung an, die insbesondere im Bereich von Strafsachen in den letzten Jahren durch den Bundesgerichtshof angewendet und modifiziert wurde. Danach ergibt sich die Angemessenheit der Vergütungsvereinbarung im Einzelfall aus einem Vergleich des vereinbarten und gesetzlichen Gebührensatzes bzw. aus einem Vergleich zwischen dem vereinbarten und dem gesetzlichen Streitwert, wobei dieser Vergleich jeweils durch die Art der Vergütung, den betroffenen Rechtsbereich und die Höhe des Streitwerts modifiziert wird.
Rz. 66
In einer aufsehenerregenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.1.2005 unternahm dieser erstmals den Versuch, der Praxis feste Leitlinien an die Hand zu geben, um eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten. Unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung soll bei hohen Streitwerten und streitwertabhängigen Gebühren das vereinbarte Honorar unangemessen hoch sein, wenn es die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt, da nichts dafür spreche, dass die anwaltliche Tätigkeit durch die gesetzlichen Gebühren nicht angemessen abgegolten sei. Unter einem hohen Streitwert soll sich nach den Gebührenreferenten der Bundesrechtsanwaltskammer ein Streitwert im hohen sechsstelligen Bereich verbergen. Die Orientierung an den streitwertabhängigen Gebühren half dem Bundesgerichtshof aber nicht weiter, da es in der Entscheidung um die Beurteilung der Angemessenheit einer streitwertunabhängigen Honorarvereinbarung mit einem Strafverteidiger ging. Dies hinderte den Bundesgerichtshof aber nicht, unter der Berücksichtigung des Mäßigungsverbots von § 3 BRAGO a.F. eine allgemein verbindliche Honorargrenze in Höhe des Fünffachen der gesetzlichen Höchstgebühren zu ziehen. Ausnahmen konnten hiervon nur zugelassen werden, wenn der Anwalt ganz besondere, in der Praxis kaum je vorliegende Gründe für die Vereinbarung des höheren Honorars darlegen und beweisen konnte.
Rz. 67
Diese durch den Bundesgerichts...