Rz. 85
Die Änderung der Gemeinschaftsordnung erfordert im Ausgangspunkt eine Vereinbarung aller Miteigentümer. Beschlüsse zur Änderung der Gemeinschaftsordnung sind nur möglich, soweit das Gesetz dafür eine Beschlusskompetenz vorsieht oder eine Öffnungsklausel besteht. Schweigen bedeutet keine Zustimmung zu einer Vereinbarung, sondern ist grundsätzlich rechtlich unerheblich. Daher beinhaltet auch eine jahrelange der Gemeinschaftsordnung widersprechende Praxis (z.B. Abrechnungspraxis oder teilungserklärungswidrige Nutzungen) keine Änderung durch schlüssiges Verhalten. Hierfür ist es vielmehr erforderlich, dass jeder Sondereigentümer Kenntnis vom Inhalt der Gemeinschaftsordnung und von der praktizierten Abweichung hat; ferner muss der allseitige Wille bestehen, für die Zukunft eine verbindliche Änderung vorzunehmen. Für die Annahme dieser Umstände müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen; i.d.R. müssen die Wohnungseigentümer vor der stillschweigenden Willenskundgabe über den Gegenstand der Vereinbarung beraten und die Rechtsfolgen für die Zukunft erörtert haben. Diese Voraussetzungen liegen praktisch nie vor. Mag dieses Ergebnis auf den ersten Blick "hart" erscheinen, ist doch zu bedenken, dass dem "Begünstigten" die Annahme einer schlüssigen Änderung der Gemeinschaftsordnung nicht dauerhaft nützen würde. Denn nach der Veräußerung einer beliebigen Wohnung wäre die "Vereinbarung" mangels Grundbucheintragung nach Wahl des Erwerbers hinfällig (→ § 2 Rdn 79).
Rz. 86
Die Gemeinschaftsordnung kann durch formlose Vereinbarung geändert werden, die prinzipiell jederzeit und überall geschlossen werden kann. Formlose Vereinbarungen sind aber schwer zu beweisen und wirken nicht gegenüber Rechtsnachfolgern. Weil normalerweise die Dauerhaftigkeit der vereinbarten Änderung das Ziel ist, ist de facto regelmäßig die Eintragung der Änderung im Grundbuch (genauer: in sämtlichen Wohnungs-/Teileigentumsgrundbuchheften) erforderlich und gewünscht. Im Grundbuchauszug wird auf die Änderung übrigens lediglich in Gestalt eines "Grundbuchvermerks" hingewiesen, der ggf. schlagwortartig den Gegenstand der Änderung bezeichnet. Wer Genaueres wissen möchte, muss sich deshalb Abschriften der den Vermerken/Änderungen zugrunde liegenden Urkunden übersenden lassen. Die Grundbucheintragung erfordert die schriftliche Zustimmung und Bewilligung aller Miteigentümer in öffentlich beglaubigter Form (§§ 19, 29 GBO, 129 BGB). De jure sind die Miteigentümer zur Mitwirkung an der Grundbucheintragung verpflichtet, sobald sie die Vereinbarung zur Änderung der Teilungserklärung (formlos) getroffen haben.
Rz. 87
Beispiel
Die Miteigentümer A, B und C vereinbaren, sich gegenseitig an bestimmten Flächen Sondernutzungsrechte für die Errichtung von Garagen einzuräumen, sobald die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Als das der Fall ist, weigert sich A, die für die Grundbucheintragung erforderlichen Erklärungen abzugeben. Er hält seine (formlose) Erklärung gem. § 873 Abs. 2 BGB für widerruflich, weil sie nicht notariell beurkundet wurde. – Zu Unrecht. Die schuldrechtliche Vereinbarung ist formlos wirksam; und aus ihr folgt regelmäßig die Verpflichtung, alles zu tun, um eine Eintragung der Sondernutzungsrechte in das Grundbuch herbeizuführen.
Rz. 88
Wenn ein Miteigentümer die Gemeinschaftsordnung ändern möchte, braucht er zwar die Zustimmung aller Miteigentümer, aber keine Vorbefassung der Eigentümerversammlung. Er kann ohne weiteres einen Notar damit beauftragen, eine Änderungsvereinbarung aufzusetzen, diese beim Notar selbst unterschreiben und anschließend seine Miteigentümer dazu auffordern (lassen), die Vereinbarung ebenfalls öffentlich (notariell) beglaubigt zu unterschreiben. Liegen alle Unterschriften in der erforderlichen Form vor, kann die Vereinbarung beim Grundbuchamt zur Eintragung eingereicht werden.
Rz. 89
Bei größeren Gemeinschaften ist es üblich und sinnvoll, die beabsichtigte Änderung zunächst in einer Eigentümerversammlung zu erläutern und zu diskutieren. Das Thema "Änderung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung" ist deshalb bei Bedarf auf die Tagesordnung zu setzen. Dass die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung nicht per Beschluss geändert werden kann, steht dem nicht entgegen, denn die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen gehören zur Verwaltung und können beschlossen werden. Für die Durchführung der Beschlüsse ist – wie immer – der Verwalter zuständig. Damit verbundene Kosten können nach dem allgemeinen Schlüssel auf alle Miteigentümer verteilt werden. Zunächst aber müssen sich die in der Eigentümerversammlung Anwesenden über den Inhalt der Änderungsvereinbarung einig werden. Wenn nämlich auch nur ein Miteigentümer nicht einverstanden ist, ist das Vorhaben schon gescheitert, es sei denn, es bestünde die Aussicht, die Zustimmung des Widersprechenden erzwingen zu können. Ist diese Hürde genommen, kann beschlossen werden, die Angelegenheit sogleich einem Notar zur weiteren Bearbeitung zu überlassen; das...