Rz. 95
In (nur) drei Fällen können Regelungen der Gemeinschaftsordnung aufgrund einer gesetzlichen Beschlusskompetenz dauerhaft durch Beschluss geändert werden. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG ermöglicht die Änderung von Kostenverteilerschlüsseln; § 28 Abs. 3 WEG ermöglicht Beschlüsse in Geldangelegenheiten. Diese beiden Beschlusskompetenzen werden im jeweils dazugehörigen Zusammenhang behandelt (→ § 8 Rdn 47 und 177). Nachfolgend geht es um die dritte gesetzliche Beschlusskompetenz: § 12 Abs. 4 WEG, die Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung.
Rz. 96
Hintergrund einer Veräußerungsbeschränkung. In vielen (insbesondere älteren) Teilungserklärungen ist vorgesehen, dass zur Veräußerung einer Wohnung die Zustimmung Dritter (meistens des Verwalters oder der Miteigentümer) erforderlich ist. Rechtliche Grundlage ist § 12 WEG. Demnach kann vereinbart werden, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf, wobei die Zustimmung nur aus einem wichtigen Grunde versagt werden darf. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn ein Erwerbsinteressent im Hinblick auf seine Person oder seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Wohnungseigentümergemeinschaft unzumutbar ist. Doch woher soll ein Verwalter das wissen? Meistens wird er die Veräußerungszustimmung zwangsläufig ohne echte Prüfung erteilen. Verweigert er die Zustimmung, riskiert er eine gerichtliche Klage durch den veräußerungswilligen Eigentümer, wobei diese Klage gegen die Gemeinschaft und nicht gegen den Verwalter zu führen ist. In einer überraschend "großzügigen" Entscheidung hat der BGH es zwar nicht beanstandet, dass ein Verwalter über zwei Instanzen hin einer Klage auf Zustimmung erfolglos entgegentrat, ohne die WEG zu informieren; aber die Gemeinschaft wird ihrem Verwalter eine solche Geldverschwendung nicht danken. Verwaltern ist deshalb grundsätzlich zu empfehlen, in den (seltenen) Fällen, in denen sie eine Verweigerung der Zustimmung in Betracht ziehen, eine Weisung der Gemeinschaft einzuholen bzw. die Gemeinschaft per Beschluss über die Erteilung der Zustimmung entscheiden zu lassen, was ohne weiteres zulässig ist. Auf weitere Fragen im Zusammenhang mit der Veräußerungszustimmung soll hier nicht eingegangen werden. Denn eine Veräußerungsbeschränkung ist meistens ineffizient und bringt nur Verwaltungsaufwand und Kosten (→ § 10 Rdn 150), hingegen kaum echten Nutzen für die Gemeinschaft. Das führt zu der Empfehlung, die Teilungserklärung gem. § 12 Abs. 4 WEG diesbezüglich durch (Mehrheits-)Beschluss zu ändern und die Veräußerungsbeschränkung abzuschaffen.
Rz. 97
Muster 2.7: Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung
Muster 2.7: Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung
Die Regelung in Ziff. C III § 8 der Teilungserklärung (UR Nr. 243/95 des Notariats Musterstadt vom 27.5.1995) "Zur Veräußerung eines Wohnungseigentums ist die Zustimmung des Verwalters erforderlich" wird aufgehoben.
Rz. 98
Der Beschluss wird (wie immer) mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Wenn die Gemeinschaftsordnung ein vom gesetzlichen "Kopfprinzip" abweichendes Stimmprinzip (z.B. MEA oder Objektprinzip) vorsieht, ist dieses anzuwenden. Der Beschluss wird zwar (wie alle Beschlüsse) schon mit seiner Verkündung wirksam; eine nachfolgende Grundbucheintragung (die rechtstechnisch eine Grundbuchberichtigung darstellt) ist aber zur Klarstellung unbedingt zu empfehlen. Zur Antragstellung ist gem. § 7 Abs. 2 S. 2 WEG die Gemeinschaft berechtigt; der Bewilligung der Wohnungseigentümer bedarf es gem. § 7 Abs. 2 S. 1 WEG nicht. Die früher übliche Empfehlung, den Aufhebungsbeschluss um den Zusatz zu ergänzen "Der Verwalter wird beauftragt, die Löschung der entsprechenden Eintragungen in den Wohnungsgrundbüchern beim Grundbuchamt zu beantragen", ist überflüssig, denn zur Beschlussumsetzung ist der Verwalter ohnehin verpflichtet. Der Verwalter muss gem. § 12 Abs. 4 S. 3 WEG dem Grundbuchamt den Aufhebungsbeschluss in der Form des § 7 Abs. 4 WEG nachweisen; die drei erforderlichen Unterschriften unter dem Beschlussprotokoll müssen also öffentlich beglaubigt sein (→ § 10 Rdn 312). Die Zustimmung der dinglichen Gläubiger ist nicht erforderlich, wie sich mittelbar aus. § 5 Abs. 4 S. 2 WEG ergibt. Die an das Grundbuchamt zu zahlenden Kosten der Löschung belaufen sich nach Nr. 14160/5 KV-GNotKG auf 50,00 EUR (Pauschalgebühr) je Sondereigentum, allerdings – und das ist entscheidend – begrenzt auf maximal 100 EUR.