1. Allgemeines

 

Rz. 263

§ 2287 BGB hilft dem Erbvertrags-Erben bzw. dem Schlusserben aufgrund bindend gewordener wechselbezüglicher Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament missbräuchliche Verfügungen des Erblassers rückgängig zu machen. Gleichzeitig bestätigt § 2287 BGB aber auch, dass selbst Schenkungen, die in Beeinträchtigungsabsicht durch den Erblasser vorgenommen werden, wirksam sind.[353] Insoweit ist stets eine Abwägung vorzunehmen, zwischen den geschützten Interessen des Vertragserben einerseits und der grundsätzlich bestehenden Verfügungsfreiheit des Erblassers unter Lebenden gem. § 2286 BGB andererseits.[354]

§ 2287 BGB ist wegen der gleichen Interessenlage auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügung in gemeinschaftlichen Testamenten, also insbesondere auf eine bindend gewordene Erbeinsetzung eines Schlusserben, entsprechend anzuwenden.

Keine Anwendung findet § 2287 BGB bei einem gemeinschaftlichen Testament, wenn beide Testierenden zum Zeitpunkt der Schenkung noch leben, weil insoweit die wechselbezügliche Verfügung des Erblassers noch nicht bindend geworden ist.[355] Gleiches gilt, wenn der überlebende Erblasser sein Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge auf die eingesetzten Schlusserben verteilt.[356]

 

Rz. 264

 

Hinweis

Bei gemeinschaftlichen Testamenten, die nach dem ZGB-DDR errichtet worden sind, findet § 2287 BGB keine Anwendung, weil nach DDR-Recht der überlebende Ehegatte keiner Bindung i.S.v. §§ 2270, 2271 BGB unterlag.[357]

[354] Krug, in: Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformulare Erbrecht, § 21 Rn 2.
[355] BGHZ 1987, 19.
[356] BGHZ 1982, 274.
[357] BGHZ 128, 302.

2. Anspruchsvoraussetzungen des § 2287 BGB

a) Allgemeines

 

Rz. 265

Anspruchsvoraussetzungen des Herausgabeanspruches gem. § 2287 BGB sind, dass die berechtigten Erwartungen des Vertragserben bzw. des Schlusserben objektiv durch eine Schenkung in Beeinträchtigungsabsicht in Folge eines Missbrauchs der lebzeitigen Verfügungsfreiheit erfolgte.

b) Verfügung durch Schenkung

 

Rz. 266

Der Erblasser muss durch eine Schenkung verfügt haben, wobei der Schenkungsbegriff derselbe ist, wie in §§ 516 ff. BGB.[358] Eine Schenkung liegt demnach vor, wenn der Empfänger eine bereichernde Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers erhalten hat, über deren Unentgeltlichkeit beide einig sind. Dabei muss die Schenkung nach Abschluss des Erbvertrages bzw. nach Eintritt der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments erfolgt sein. Unter den Schenkungsbegriff fallen auch:

die gemischte Schenkung, also die Zuwendung unter teilentgeltlicher Gegenleistung;[359]
die verschleierte Schenkung, also Schenkungen unter Vorspiegelung einer in Wirklichkeit nicht gewollten Gegenleistung mit dem Anschein der Entgeltlichkeit;[360]
die Ausstattungsschenkung i.S.d. § 1624 Abs. 1 BGB, wobei lediglich bei einer übermäßigen Ausstattung der nicht maßvolle Teil als Schenkung anzusehen ist;[361]
die Pflicht- und Anstandsschenkung gem. § 534 BGB, wobei hier allerdings regelmäßig keine Beeinträchtigungsabsicht vorliegen wird;
die Schenkung unter Auflage, bspw. unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts oder Nießbrauchs. Diese Gegenrechte werden nicht als Gegenleistung bewertet, mindern aber trotzdem den Wert der Schenkung;[362]
die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten ist grundsätzlich als Schenkung im Sinne des § 2287 BGB zu sehen, sofern sie objektiv unentgeltlich ist, wovon im Regelfall wohl auszugehen ist.[363] Eine unbenannte Zuwendung ist jedoch dann nicht als unentgeltlich anzusehen, wenn die erbrachte Leistung unterhaltsrechtlich geschuldet wird oder wenn ihr eine durch sie ganz oder teilweise vergütete Gegenleistung gegenüber steht. Dies ist bspw. der Fall bei einer Zuwendung zu einer angemessenen Alterssicherung oder für die nachträgliche Vergütung langjähriger Dienste.[364] Keine Gegenleistung ist jedoch die übliche Haushaltstätigkeit i.R.d. § 1360 BGB;
die Begründung einer Gütergemeinschaft, sofern der Ehegatte, der kein oder nur geringfügiges eigenes Vermögen in das Gesamtgut einbringt, mit Abschluss des Ehevertrages bereichert wird.[365] Problematisch ist hier jedoch die Frage der Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Eine Schenkung kann nur dann angenommen werden, wenn auch ehefremde Zwecke durch die Ordnung der beiderseitigen Vermögen verfolgt werden. Nur für diesen Fall entfällt die ehegüterrechtliche causa, die einer Schenkung entgegensteht. Eine solche Ausnahme kommt in Betracht, wenn bspw. die Gütergemeinschaft kurz vor dem Tode eines Ehegatten vereinbart wird oder wenn ein Ehevertrag nur deshalb geschlossen wird, um pflichtteilsberechtigte Angehörige zu benachteiligen.[366]
[358] BGHZ 82, 274; BGH NJW-RR 1986, 1135.
[359] BGH FamRZ 1961, 72; OLG Köln ZEV 1996, 23.
[360] BGH FamRZ 1961, 73; FamRZ 1964, 429.
[361] Krug, in: Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformualre Erbrecht, § 21 Rn 32.
[362] BGH ZEV 1996, 197.
[363] BGHZ 116, 167; BGH NJW-RR 1996, 133;
[364] MüKo/Musielak, § 2287 Rn 4; a.A.: Langenfeld, NJW 1994, 2133; Klingelhöffer, NJW 1993, 1097.
[365] MüKo/Musielak, § 2287 Rn 5;
[366] MüKo/Musielak, § 2287 Rn 5 m.w.N.

c) Besonderheiten bei gemischten Schenkungen

 

Rz. ...

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