Rz. 11
Eine Legaldefinition des Rechtsbegriffs "Ehewohnung" existiert nicht. §§ 1361b, 1567 Abs. 1 S. 2 BGB (eheliche Wohnung), §§ 1 ff. HausratsVO a.F., §§ 620 Nr. 7, 621 Nr. 7, 630 Abs. 1 Nr. 3 ZPO a.F. und jetzt §§ 57 Nr. 5, 96, 111 Nr. 5, 137 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 200, 202 S. 1, 203 Abs. 3, 204, 205, 209 Abs. 2, 269 Abs. 1 FamFG sowie § 48 FamGKG verwenden den Begriff jedoch und setzen ihn demnach als bekannt voraus.
Die Rechtsprechung zu § 1 HausratsVO a.F. hat dem Begriff Konturen gegeben. Er ist bei § 1 HausratsVO a.F., nunmehr bei § 1568a BGB und bei § 1361b BGB (sowie in den übrigen Vorschriften, in denen er genannt ist) identisch und weit auszulegen. Als Ehewohnung sind danach die gemeinschaftlichen Räumlichkeiten zu verstehen, in denen beide Ehegatten wohnen, gewohnt haben oder bestimmungsgemäß wohnen sollen.
Dass eine Wohnung zur Ehewohnung wird, setzt also ein subjektives und eine objektives Element voraus: subjektiv den gemeinsamen Willen beider Ehegatten ("bestimmungsgemäß"), in dieser Wohnung das aus dem Recht und der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft folgende Recht und die entsprechende Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft verwirklichen zu wollen; objektiv muss die Indienststellung der Wohnung für eheliche Zwecke hinzu kommen, also eine nach außen zu erkennende Nutzungsbeziehung der Ehegatten zu der Wohnung.
Das subjektive wie das objektive Element des Rechtsbegriffs Ehewohnung haben ihre Grundlage in dem sich aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB ergebenden Recht und der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Diese beinhalten das Recht und die Pflicht zum Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft, weil Ehe, anders als die Lebenspartnerschaft nach § 2 S. 1 LPartG, nicht nur zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet, sondern durch die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten geprägt ist. Da die häusliche Gemeinschaft sich ihrerseits durch das Zusammenleben der Ehegatten in der Ehewohnung verwirklicht, gewähren das Recht und die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft jedem Ehegatten gegen den anderen einen familienrechtlichen Anspruch auf Widmung einer Wohnung als Ehewohnung. Die Widmung setzt als Rechtsgeschäft, sei sie Vertrag oder Beschluss, jedenfalls Willenserklärungen beider Ehegatten voraus, dass diese bestimmte Wohnung Ehewohnung werden soll. Durch die einvernehmliche Widmung der Ehegatten bestimmen sie, eine bestimmte Wohnung durch Abschluss eines Mietvertrags (durch einen oder beide Ehegatten) oder durch Erwerb (von Mit- oder Alleineigentum) als Ehewohnung zu nutzen. Hierdurch entsteht allein die Verpflichtung jedes Ehegatten, die erforderlichen rechtlichen Handlungen vorzunehmen, also zum Beispiel, den Mietvertrag bezüglich einer bestimmten Wohnung abzuschließen, eine bestimmte Eigentumswohnung oder ein bestimmtes Hausgrundstück als Mit- oder Alleineigentum zu erwerben, nicht jedoch bereits der noch abzuschließende Mietvertrag, Kaufvertrag etc. selbst. Dies ist der eigentliche Grund, weshalb die Widmung einer Wohnung als Ehewohnung nicht ausreicht, um die Wohnung als Ehewohnung zu qualifizieren, sondern ein objektives Element in Form einer nach außen zu erkennenden Nutzungsbeziehung der Ehegatten hinzu kommen muss. Eine Wohnung wird erst dann zur Ehewohnung, wenn der aufgrund der Widmung von den Ehegatten zu schließende Miet- oder Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist. Erst zu diesem Zeitpunkt steht mit ausreichender Sicherheit und nach außen erkennbar fest, dass sich die eheliche Lebensgemeinschaft in eben dieser Wohnung verwirklichen wird. Bis zu diesem Zeitpunkt können die Ehegatten die Widmung einvernehmlich abändern und bestimmen, dass eine andere Wohnung Ehewohnung werden soll, auch kann der beabsichtigte Vertragsschluss aus vielerlei Gründen scheitern.
Weigert sich ein Ehegatte, seine zur Widmung einer Wohnung als Ehewohnung erforderliche Willenserklärung und bzw. oder die aufgrund der Widmung erforderlichen Willenserklärungen abzugeben, kann der andere Ehegatte, gestützt auf § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB im Wege des Herstellungsantrags nach § 266 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Nr. 2 FamFG vorgehen. Es handelt sich um einen Leistungsantrag, für den das Vollstreckungsverbot des § 120 Abs. 3 Alt. 2 FamFG nicht gilt, da dieses nur die Vollstreckung höchstpersönlicher Ansprüche erfasst, um die Entschließungsfreiheit im persönlich sittlichen Bereich zu schützen. Mit der Rechtskraft des familiengerichtlichen Beschlusses (entsprechend § 705 ZPO i.V.m. §§ 120 Abs. 1, 112 Nr. 3 Alt. 1, 266 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Nr. 2 FamFG) gelten die jeweils im Beschluss des Gerichts titulierten Willenserklärungen entsprechend § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 112 Nr. 3 Alt. 1, 266 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Nr. 2 FamFG als abgegeben.