Rz. 119
In den Fällen, in denen § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB direkt oder entsprechend im Wege des argumentum a minori ad maius eingreift, also in den Fällen, in denen der gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB überlassungspflichtige Ehegatte und in denen, in denen der gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB überlassungsberechtigte Ehegatte die Wohnung verlassen, führen § 1361b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 2 BGB bereits die Rechtsfolge von § 745 Abs. 2 BGB herbei. Die Vorschriften führen nämlich nicht nur eine verbindliche Verwaltungsregelung im Sinne von § 745 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Benutzung und der Nutzungsvergütung herbei, sondern darüber hinaus zugleich die aufgrund der Regelung zu treffende schuldrechtliche Sondervereinbarung. Bestimmt wird nämlich sowohl, dass der jeweilige Miteigentums- bzw. Bruchteilsanteil genutzt werden soll, als auch, in welcher konkreten Art und Weise dies geschehen soll: in vollem Umfang und entgeltlich. § 1361b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2 BGB führen deshalb nicht bloß die Benutzungsregelung im Sinne von § 745 Abs. 2 BGB herbei, sondern dessen Rechtsfolge. Des für § 745 Abs. 2 BGB erforderlichen Gläubigerbegehrens bedarf es nicht, weil es sich bei den Ansprüchen nach zutreffender Auffassung – entgegen der herrschenden Ansicht – nicht um verhaltene Ansprüche handelt. Da § 1361b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2 BGB die Rechtsfolge von § 745 Abs. 2 BGB herbeiführen, verdrängen sie die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift zwar nicht als leges speciales, aber aufgrund ihres Sinn und Zwecks; es handelt sich um einen Fall der Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung. Liegen die Voraussetzungen der familienrechtlichen Vorschrift vor, so fordert ihr Zweck, Benutzungs- und Vergütungsregelung hinsichtlich der Ehewohnung während des Getrenntlebens nur nach diesen Vorschriften zu beurteilen. Gesetzgeber und Gesetzesverfasser haben insoweit auch im Miteigentum stehende Ehewohnungen einer einheitlichen und abschließenden Regelung unterworfen.
In den Fällen, in denen ein Ehegatte die Ehewohnung verlässt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB aber zugunsten keines Ehegatten eingreifen, wendet die überwiegende Ansicht § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB – obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, insbesondere eine Nutzungsberechtigung fehlt – gleichwohl an und sieht § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB als lex specialis gegenüber § 745 Abs. 2 BGB.
Richtigerweise greift § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nicht ein, und es ist zudem zwischen der Fallkonstellation zu unterscheiden, in der § 1361b Abs. 4 BGB eingreift, und derjenigen, in der die Vorschrift nicht eingreift. Erklärt der ausgezogene Ehegatte innerhalb von sechs Monaten nicht, dass er in die Wohnung zurückkehren will, so steht dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten gem. §§ 1361b Abs. 4, 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB ein Recht zum Alleinbesitz der Ehewohnung zu. Auch in diesem Falle tritt die Rechtsfolge von § 745 Abs. 2 BGB ein, da nicht nur eine verbindliche Verwaltungsregelung im Sinne von § 745 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Benutzung und der Nutzungsvergütung herbeigeführt wird, sondern darüber hinaus zugleich die aufgrund der Regelung zu treffende schuldrechtliche Sondervereinbarung. Der in der Wohnung verbliebene Ehegatte ist berechtigt, die gesamte Wohnung allein zu nutzen und zwar unentgeltlich. Hat hingegen der ausgezogene Ehegatte wirksam innerhalb der Frist seine Rückkehrabsicht gegenüber dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten bekundet, so bleibt das gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB bestehende Recht zum Mitbesitz beider Ehegatten an der Wohnung grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache bestehen. Auch auf diese Weise wird die Rechtsfolge des § 745 Abs. 2 BGB herbeigeführt, nämlich die unentgeltliche Nutzungsbefugnis der Ehewohnung durch beide Ehegatten.