Rz. 50
Streitige Erbfälle beginnen regelmäßig schon vor dem Erbfall. Letztwillige Verfügungen werden errichtet und lebzeitige Übertragungen finden statt, die gegen bindende, letztwillige Verfügungen verstoßen und spätere Ansprüche gem. § 2287 BGB (ggf. analog) begründen können. Lebzeitige Verfügungen können auch indirekt die Nachfolge von Todes wegen ändern. Das kann geschehen, wenn in einem Testament z.B. durch Vermächtnis oder Teilungsanordnung fest zugeordnete Werte wie Kunstgegenstände oder Immobilien veräußert werden und sich damit nicht mehr im Nachlass befinden. Ob eine Surrogation stattfindet, kann unsicher sein. Schenkungen können schließlich Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen und Eheschließungen sowie Adoptionen und Erbverzichte die Erbfolge ändern.
Rz. 51
Nach dem Erbfall sind viele Informationen nur noch schwer oder für juristisch Außenstehende, wie Pflichtteilsberechtigte, gar nicht mehr zu erlangen. Daher ist es sinnvoll, bei drohendem Streit nach dem Erbfall schon zu Lebzeiten möglichst viel an Informationen zu sammeln. Dabei geht es meist keineswegs nur um die Interessen des später Berechtigten. Regelmäßig sind Betreute während und auch schon vor der Betreuung geschäfts- und testierunfähig oder zumindest beeinflussbar. Daher ist es in ihrem Interesse, die Verwirklichung von deren Vorstellungen, die z.B. vor längerer Zeit im Zustand der Testierfähigkeit in einer letztwilligen Verfügung festgehalten wurden, möglichst abzusichern.
Wichtige Regelungen
Schon zu Lebzeiten können gem. § 1822 BGB n.F. von Angehörigen und anderen Vertrauenspersonen Informationen vom Betreuer verlangt werden. Zu Beginn der Betreuung sollte auf ein Vermögensverzeichnis gem. § 1835 BGB n.F. hingewirkt werden, bei dem die umfassenden Ermittlungsmöglichkeiten wie die Zuziehung einer dritten Person oder die Aufnahme durch einen Notar genutzt werden.
Rz. 52
Dafür eröffnet das neue Betreuungsrecht insbesondere zwei Möglichkeiten: Gemäß § 1822 BGB n.F. hat der Betreuer den nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen Auskünfte über persönliche Lebensumstände zu erteilen. Im Einzelnen und zum Umfang siehe § 13 Rdn 9–30. Die Reichweite der Auskünfte danach wird beschränkt sein. Wichtig ist aber das Eröffnen einer Kommunikationsschiene, auf der der Betreuer z.B. auf die Notwendigkeit der Sicherung von Informationen angesprochen werden kann.
Rz. 53
Zusätzlich wurden die Regelungen zum Vermögensverzeichnis des Betreuers zu Beginn der Betreuung in § 1835 BGB n.F. im Vergleich zu § 1802 BGB a.F. deutlich ausgebaut (im Einzelnen siehe § 13 Rdn 31–52). Ein detailliertes und mit Belegen versehenes Vermögensverzeichnis kann die Position nach dem Erbfall erheblich verbessern.
Es ist daher dringend anzuraten, in Fällen, die voraussichtlich in eine streitige Erbauseinandersetzung übergehen, beim Betreuer oder Betreuungsgericht die Hinzuziehung einer dritten Person bei der Aufnahme (§ 1835 Abs. 4 BGB n.F.) oder sogar die Aufnahme durch die zuständige Betreuungsbehörde oder einen Notar (§ 1835 Abs. 5 BGB n.F.) anzuregen, was wie folgt formuliert und begründet werden kann. Abgewandelt werden kann das Schreiben, wenn ein ehrenamtlicher Betreuer (z.B. ein anderes Kind) als Betreuer bestellt wurde und diesem gegenüber Vorsicht angezeigt ist, oder wenn es an das Betreuungsgericht gesandt wird. Eine Abschrift an das Betreuungsgericht zu senden bzw. an den Betreuer bei Ansprache an das Betreuungsgericht, ist jeweils sinnvoll.
Rz. 54
Formulierungsbeispiel: Schreiben an den Betreuer
In der Betreuungsangelegenheit für (…)
vertreten wir bekannterweise die Interessen von (…), der Tochter der nun von Ihnen betreuten Frau (…). Die durch uns für unsere Mandantin angeregte Betreuung begrüßen wir und stehen – wie unsere Mandantin – für Fragen und zur Unterstützung zur Verfügung.
Wir möchten noch einmal darauf hinweisen, dass die Betreuung auch eingerichtet wurde, da in den Monaten davor unklare Vorgänge insbesondere im Vermögensbereich durch die andere Tochter der jetzt Betreuten zu vermerken waren. Zum einen kann dadurch das Vermögen der Betreuten, welches deren Versorgung dienen soll, gemindert worden sein. Zum anderen ist zu befürchten, dass im Ergebnis ohne den Willen der Betreuten die spätere Vermögensnachfolge geändert wurde. Die Betreute hatte nach letzter Kenntnis unserer Mandantin gemeinsam mit dem vorverstorbenen Ehemann ein Testament errichtet. Lebzeitige Verfügungen könnten diesem widersprechen und damit dem Willen der Betreuten und auch von deren Ehemann. Dies sollte verhindert werden, was auch in Ihrem Aufgabenbereich liegen wird.
Daher bieten wir an, bei der Aufnahme des Vermögensverzeichnisses gem. § 1835 BGB behilflich zu sein und weisen darauf hin, dass dieses jetzt und später von großer Bedeutung ist bzw. sein wird. Es liegt nahe und wird von uns dringend angeregt, die Möglichkeit des § 1835 Abs. 4 BGB zu nutzen und die Hinzuziehung einer dritten Person bei der Erstellung des Vermögensverzeichnisses hinzuzuziehen, ggf. auch g...