Rz. 64

Durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand können die Rechtsnachteile, die mit der Fristversäumung einer Prozesshandlung verbunden sind, beseitigt werden. Die Wiedereinsetzung gem. § 233 ZPO erfolgt nur unter bestimmten Voraussetzungen:

 

Rz. 65

Es muss ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt werden; dabei ist Wiedereinsetzung nur möglich bei der Versäumung einer Notfrist oder der anderen in § 233 ZPO genannten Fristen (Rechtsmittelbegründungsfristen). Wiedereinsetzung wird auch nur gewährt, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von zwei Wochen ab Beseitigung des betreffenden Hindernisses gestellt wird (§ 234 ZPO) und dem Gericht dargelegt und glaubhaft gemacht wird (§ 236 ZPO), dass die Fristversäumung ohne Verschulden der Partei erfolgt ist, die die Wiedereinsetzung beantragt hat. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

 

Rz. 66

Zusätzlich muss innerhalb der Antragsfrist über die Wiedereinsetzung auch die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden.

 

Rz. 67

Sollte das Verschulden an der Fristversäumung nicht die Partei selbst, sondern deren Rechtsanwalt oder dessen Büropersonal treffen, so wird wie folgt unterschieden:

 

Rz. 68

Das Verschulden des Rechtsanwalts wird der Partei zugerechnet mit der Folge, dass sie keine Wiedereinsetzung erhält, § 85 Abs. 2 ZPO. Liegt das Verschulden an der Fristversäumung bei einem bzw. einer Büroangestellten des Rechtsanwalts, kann die Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen, solange nicht auch den Rechtsanwalt ein Mitverschulden beispielsweise dergestalt trifft, dass er sein Büro bezüglich der Behandlung von Fristen schlecht organisiert oder seine Angestellten nur unzureichend über die Bedeutung der Fristwahrung belehrt und hierbei überwacht hat.

 

Rz. 69

Da eine vom Rechtsanwalt verschuldete Fristversäumung zu einer Regresshaftung des Anwalts gegenüber der eigenen Partei führen kann, müssen Fristen innerhalb der Rechtsanwaltskanzlei von allen Personen mit besonderer Aufmerksamkeit beachtet werden. Der Fristenkalender ist mit größter Sorgfalt zu führen. Das Thema Fristenberechnung, Fristennotierung und Fristenkontrolle gehört zum wichtigsten Aufgabenbereich in Anwaltskanzleien.

 

Rz. 70

Muster 1: Antrag auf Wiedereinsetzung:

 

Muster: Antrag auf Wiedereinsetzung:

 
Briefkopf Rechtsanwalt Haupt Hannover, den _________________________

An das

Landgericht Hannover

– Berufungskammer –

– Az.: 1. Instanz: 10 C 62/19 –

– Az.: 2. Instanz: 4 S 1433/19 –

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Berufungseinlegung

In Sachen

Müller (genaue Bezeichnung und Anschrift)

– Beklagter und Berufungskläger –

Prozessbevollmächtigter: RA Moritz Haupt, Flurgasse 22, 30159 Hannover

gegen

Meier (genaue Bezeichnung und Anschrift)

– Kläger und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigter: 1. Instanz RA Erwin Schneider, Zimmerstr. 4, 30158 Hannover

beantragen wir namens und in Vollmacht des Beklagten und Berufungsklägers

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

betreffend die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Urteil des AG Hannover vom 8.7.2019 (– 10 C 62/19 –), zugestellt am 18.7.2016 und legen namens und im Auftrag des Beklagten und Berufungsklägers

Berufung

gegen das vorbezeichnete Urteil ein mit dem Antrag:

Das Urteil des AG Hannover vom 8.7.2019 (– 10 C 62/19 –) wird aufgehoben.

Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Eine beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils liegt als Anlage anbei.

Begründung:

I. Wiedereinsetzungsantrag

Das Urteil des Amtsgerichts wurde dem Beklagten, der im Gegensatz zum Kläger in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten war, am 18.7.2019 zugestellt. Der Beklagte wollte am Tag des Fristablaufs, dem 19.8.2019 den Unterfertigten mit der Einlegung einer Berufung beauftragen. Auf dem Weg in die Kanzlei ereignete sich ein folgenschwerer Unfall. Aufgrund dieses Unfalls wurde der Beklagte so erheblich verletzt, dass er sich zwei Wochen lang im Koma befand. Nachdem der Beklagte aus dem Koma erwachte und wieder zu sich kam, veranlasste er sofort die Beauftragung des Unterfertigten. Von der Fristversäumnis erhielt der Beklagte erst nach Erwachen aus dem Koma Kenntnis.

Glaubhaftmachung: 1. eidesstattliche Versicherung des Beklagten

2. Bestätigung des Krankenhauses xy vom _________________________

II. Berufungsbegründung:

Die Berufungsanträge und -begründung bleiben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten.

Moritz Haupt

Rechtsanwalt

– Anlagen

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